Armin König

Heveling raunt – Blutrünstiger Kampf um Mittelerde 2.0 samt Schlachtenlärm und digitalen Horden, einer Viola, einer Blutgrätsche in Berti Vogts‘ Korschenbroich und PIPA-SOPA

Ja, das Web 2.0 wird sterben. Irgendwann. Früher oder später. Ob dabei digitales Blut fließt, wie es der CDU-Bundestagsabgeordnete Ansgar Heveling in seinem kriegerischen „Handelsblatt“-Beitrag dramatisch annonciert hat, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Ich kann weit und breit keinen „Endkampf um Mittelerde“ erkennen. Weder bei Twitter noch bei Facebook noch bei Xing. Das ist tatsächlich die „Offenbarung eines einsamen Apokalyptikers“.

Wir wissen nicht, was den netten Herrn Heveling aus Korschenbroich, der Heimatstadt von Berti Vogts, zur Blutgrätsche gegen die Netzgemeinde animiert hat. Es war wohl das krampfhafte Bemühen um originelle Formulierungen, die den stillen Viola-Spieler und Chorsänger zum schrillen Schlachtenlärmer mutieren ließ.

Seltsam verquast schwadroniert er: „Auch wenn das Web 2.0 als imaginäres Lebensgefühl einer verlorenen Generation schon bald Geschichte sein mag, so hat es allemal das Zeug zum Destruktiven. Wenn wir nicht wollen, dass sich nach dem Abzug der digitalen Horden und des Schlachtennebels nur noch die ruinenhaften Stümpfe unserer Gesellschaft in die Sonne recken und wir auf die verbrannte Erde unserer Kultur schauen müssen, dann heißt es, jetzt wachsam zu sein. Also, Bürger, auf zur Wacht! Es lohnt sich, unsere bürgerliche Gesellschaft auch im Netz zu verteidigen!“ Au weia!

Will Heveling mit seiner Attacke nur vernebeln, dass er massiv SOPA und PIPA verteidigt, die höchst umstrittenen US-Pläne zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen, die bis zur Netzzensur führen können? Dagegen war „Zensursula“ ein Kindermärchen.

Heveling, der noch vor wenigen Tagen im Bundestag eine kluge Rede zur Deutschen Digitalen Bibliothek und zur Digitalisierung von historischem Schriftgut gehalten hat, flippte am Schluss seines Gastbeitrags völlig aus. Von den „kleinen Pacmans, die an den Ideen und Idealen unserer bürgerlichen Gesellschaft knabbern“  bis zur „unheiligen Allianz au diesen digitalen Maoisten und kapitalstarken Monopolisten“ reicht sein Wortschatz der Verunglimpfungen der Netzgemeinde. Als sei das Netz bevölkert von Narzissten und Nerdzisten, die „via Twitter“ ihre „zweite Pubertät durchleben“, von einer Masse linker Piraten, die das Eigentum des anderen nicht achten!

Lieber Ansgar Heveling, ich pubertiere nicht mehr, bin weder Nerd noch Narzisst noch Maoist oder Monopolist, sondern ein netzaffiner „schwarzer“ Bürgermeister aus „Ihrer“ CDU. Ich habe keine Lust, mich in die dunkle Schublade der Kunst- und Kulturbanausen stecken zu lassen, denn ich lese noch Bücher (dicke und dünne, Lyrik und Prosa, Dramen und Essays, Biographien und Monographien aus  Geschichte,  Politik und Wissenschaft). Ich spiele Klavier und liebe Ballett. Und ich bin ein waschechter Realo, den man auf der Straße, im Rathaus, im Schwimmbad, auf dem Betzenberg und im Wald trifft. Ich gebe zu: Manchmal twittere ich dort sogar. Aber das ist nicht mein Leben, nur ein Ausschnitt daraus, ein sehr begrenzter zudem.

Nein, Herr Heveling, mit blutrünstigem Geraune kann man die Netzgemeinde nicht attackieren. Dient alles nur zur Verschleierung des eigenen umstrittenen Standpunkts, SOPA und Pipa zu verteidigen? Das ist doch unter Ihrem Niveau. Sie haben das wirklich nicht nötig.

Fazit

Mit Verlaub: Das ist der größte Stuss, den ich in jüngster Zeit zum Thema Netzgemeinde gelesen habe – ein Armutszeugnis für einen CDU-Abgeordneten – und eine Zumutung für alle netzaktiven Christdemokraten.

Herr Heveling, das war Müll! Am besten alles löschen.