Norbert Bolz ist ein kluger Medientheoretiker. Im Hamburger Abendblatt hat er Anne Wills Talkrunde zu Frank Walter Steinmeiers Organspende kritisiert. Mehr noch hat er Steinmeier selbst kritisiert. Er spricht von der „Tyrannei der Inimität“ und stellt fest: „Vor dem Intimsten muss es eine Tür geben, die für die Medien geschlossen bleibt. Sonst verliert der Politiker nicht nur seine Würde, sondern auch die Achtung der Bürger.“
Das mag stimmen. Trotzdem ist seine Kritik an Steinmeier und Anne Will höchst subjektiv. Ich halte sie auch für falsch.
Mich hat sehr beeindruckt, was Steinmeier erzählt hat: die Verzweiflung in schwierigen Zeiten und deren Überwindung, die Beratungen mit seiner Frau, wie er die Chancen und Hoffnungen im Zusammenhang einer Organspende beschrieben hat, seine ruhige Art. Auch sein Plädoyer für Organspenden hat mich überzeugt.
Mich hat auch Nathalie Todenhöfer beeindruckt, die erzählt hat, wie sie mit MS umgeht und warum sie eine Stiftung gegründet hat. Ich wollte es auch deshalb wissen, weil ich gute Bekannte habe, die unter dieser Krankheit leiden. Mich hat ARD-Hauptstadtkorrespondent Marcus Bornheim beeindruckt, der berichtete, wie er mit der Diagnose Leukämie umgegangen ist und welche Höhen und Tiefen er erlebt hat, um schließlich eine hoch riskante Therapie zu machen. Und mich hat der Arzt Eckhard Nagel beeindruckt, der auf eine einfühlsame Art und Weise über schwierige Themen gesprochen hat, wie man das bei Medizinern nur in seltenen Glücksfällen erlebt.
Mich hat auch Anne Will beeindruckt. Es war eine ihrer besten Sendungen. Ich fand sie Grimme-Preis-reif. Ich würde sie dafür vorschlagen.
All die platten parteipolitischen Kommentare zu dieser Sendung finde ich schlicht daneben.
Und Norbert Bolz kann mich in diesem Fall auch nicht überzeugen.
Es war keine Tyrannei der Intimität. Stattdessen war es eine überzeugende, informative, sensible Runde über schwierige Themen, die jeden treffen können.
Chapeau, Frau Will. Das war erstklassig.