Armin König

Der Paukenschlag des Norbert Lammert – Parlamentspräsident mit Courage kritisiert eigene Regierung wegen Atom

Das war ein Paukenschlag: Bundestagspräsident Norbert Lammert hat nicht nur der Bundesregierung, sondern auch den Regierungsfraktionen gründlich die Leviten gelesen. Eine solch harsche Kritik von einem Spitzenrepräsentanten der Bundesrepublik Deutschland musste sich die schwarz-gelbe Koalition bisher nicht anhören. Lammert sprach von schweren Mängeln beim Verfahren für längere Atomlaufzeiten. Bei den Beratungen am vergangenen Donnerstag habe es sich nicht um „ein Glanzstück von Parlamentsarbeit“ gehandelt, sagte der Parlamentspräsident der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom Montag. Damit geht er voll auf Konfrontationskurs zu Bundeskanzlerin Angela Merkel, aber auch zu den Fraktionen von CDU, CSU und FDP. Politische Beobachter werden lange im Archiv suchen müssen, um eine solche Fundamentalkritik eines Bundestagspräsidenten an der eigenen Koalition zu einem solch zentralen Politikfeld zu finden.

Am Donnerstag waren im Deutschen Bundestag zahlreiche wichtige Gesetze im Eiltempo verabschiedet worden: Neben dem Energiekonzept einschließlich der verlängerten Laufzeiten für Atomkraftwerke gehörten auch die milliardenschweren Sparbeschlüsse der Regierung dazu. Lammert sagte der FAZ, jedes dieser politischen Groß-Vorhaben hätte für sich eine längere Beratungszeit verdient. Das gewählte Verfahren trage den „Verdacht mangelnder Sorgfalt“ in sich. Der Bundestagspräsident machte auch die Fraktionen selbst verantwortlich: „Wir weisen Zumutungen nicht als Zumutungen zurück“. Lammert kritisierte es als „politisch unklug“, dass die Regierung die Länder bei den Atomgesetzen nicht einbeziehen will. Von einer anders zusammengesetzten Regierung würden sie aus seiner Sicht erneut geändert. Da könnte er ziemlich Recht haben.

Lammerts couragierte Aktion wird zwar von der eigenen Fraktion kritisiert, in der Presse und im Internet wird der Paukenschlag der Norbert Lammert dagegen vielfach gelobt. Die Mitteldeutsche Zeitung schreibt in einem erfreulich deutlichen Kommentar:

„Angela Merkel sollte sich dafür bei Lammert bedanken, statt den Zeitpunkt der Wortmeldung gegen ihren Kritiker zu verwenden. Recht hat der Bundestagspräsident allemal, wenn er von einer „Zumutung“ für das Parlament spricht. Und Recht hat er, wenn er moniert, dass die Fraktionen der Regierungsparteien CDU/CSU und FDP all zu bereitwillig gekuscht haben. Ob Bundespräsident Christian Wulff diese Bedenken teilt? Ob das Bundesverfassungsgericht das Gesetz passieren lässt? Der Ausstieg aus dem Atomausstieg am Bundesrat vorbei ist in der Sache umstritten genug. Da wäre die Regierungsmehrheit gut beraten gewesen, nicht noch ein angreifbares Verfahren zu wählen. Gut, dass wenigstens einer aus ihren Reihen den Mut (und Verstand) hat, das auszusprechen.“

Bei Twitter schreibt @manomama : „Der Lammert gefällt mir: endlich mal ein CDUler, der sich traut, das Maul aufzumachen.“

@_panique_ fragt: „ist #lammert eigentlich nachfolger von #blüm und #geissler als gewissen der #cdu?“

Ich habe als CDU-Mandatsträger hohen Respekt vor Lammert. Und ich freue mich, dass er Mut vor Kanzler, Ministern und Lobbyisten zeigt. Weiter so. Wir brauchen Abgeordnete mit Courage.

Ich wünsche mir, dass der Bundespräsident und das Bundesverfassungsgericht die Eilbeschlüsse des Parlaments wegen ihrer Fehlerhaftigkeit kassieren. Und ich wünsche mir, dass die regenerativen Energien endlich die Chance bekommen, die sie verdienen. Klaus Töpfer hat dies kürzlich knallhart gesagt: Wir brauchen schnellstmöglich eine Energieversorgung ohne Atom. Die Stromriesen haben über 130 Milliarden Euro Atom-Subventionen kassiert. Für die Endlagerung und die Sicherung ist der Staat – sind WIR – verantwortlich.

Ich finde: eine ziemlich beschissene Arbeitsteilung.