Armin König

Erfolgsmodell: Die Umweltrichtlinie 90/313/EWG als Motor der Informationsfreiheit in Europa

Bürokraten liebten sie nicht, aber für alle Bürgerinnen und Bürger, die sich informieren wollten über Bauprojekte geht, die Umweltaspekte berührten, die sich gegen schädliche Emissionen wehren wollten, die Verbraucherschutz sichern wollten, war die europäische Uwmeltrichtlinie 90/313/EWG.

Sie war ein Meilenstein auf dem Weg zum Umweltinformationsfreiheit in Europa. Durch die erste Umwelt-Informationsrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft wurde Deutschland gezwungen, das Prinzip Amtsgeheimnis durch das Prinzip Aktenöffentlichkeit zu ersetzen – allerdings gegen zum Teil erheblichen Widerstand der Verwaltungen. Es war ein Paradigmenwechsel in Deutschland, ein Bruch mit jahrhundertealten Traditionen. Es verpflichtete Deutschland, das Grundrecht auf freien Zugang zu Umweltinformationen innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umzusetzen. Deutschland tat sich zwar schwer damit, erfüllte aber letztlich halbwegs die europäischen Vorgaben. Eine wichtige Etappe dabei war das Umweltinformationsgesetz UIG, das in der Folge auf Druck des EuGH mehrfach novelliert werden musste.

Die Richtlinie 90/313/EWG erfüllt also ihren Zweck.

Ziel der Richtlinie war es, „den freien Zugang zu den bei den Behörden vorhandenen Informationen über die Umwelt zu gewährleisten und die grundlegenden Voraussetzungen festzulegen, unter denen derartige Informationen zugänglich gemacht werden sollen.” Ausführlich begründet der Rat der Europäischen Gemeinschaften, warum diese umfassende Informationsfreiheit im Umweltschutz sinnvoll und notwendig ist:

„Es ist notwendig, in der gesamten Gemeinschaft allen natürlichen und juristischen Personen den freien Zugang zu den bei den Behörden in Schrift-, Bild-, Ton- oder DV-Form verfügbaren umweltbezogenen Informationen über den Zustand der Umwelt, Tätigkeiten oder Maßnahmen, die diesen Zustand negativ beeinflussen oder negativ beeinflussen können, sowie über Tätigkeiten oder Maßnahmen zum Schutz der Umwelt zu gewährleisten.“

Der Zugang zu umweltbezogenen Informationen im Besitz der Behörden werde den Umweltschutz verbessern.

Nur in „ganz bestimmten, genau bezeichneten Fällen“ könne es „gerechtfertigt sein, erbetene umweltbezogene Informationen zu verweigern.“ Der Antragsteller müsse die Möglichkeit haben, den Bescheid der Behörde anzufechten.

Neben den staatlichen Behörden hatte der Rat 1990 auch Dritte im Visier, „welche öffentliche Aufgaben im Bereich der Umweltpflege wahrnehmen.“ Dies sei „ebenfalls zu gewährleisten“.
Und schließlich verpflichtete die Richtlinie 90/313/EWG die Behörden zur aktiven Verbreitung umweltbezogener Informationen. Sie „sollten der Öffentlichkeit allgemeine Informationen über den Zustand der Umwelt in aktiver Weise“ mitteilen.

Der Rat verweist dabei auch auf eine Stellungnahme des Europäischen Parlaments zum vierten Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz. Darin wird unterstrichen, dass „die Unterrichtung jedes Bürgers durch eine spezifische Gemeinschaftsaktion möglich gemacht werden“ müsse.

Als Informationen über die Umwelt gelten „alle in Schrift-, Bild-, Ton- oder DV-Form vorliegenden Informationen über den Zustand der Gewässer, der Luft, des Bodens, der Tier- und Pflanzenwelt und der natürlichen Lebensräume sowie über Tätigkeiten (einschließlich solcher, von denen Belästigungen wie beispielsweise Lärm ausgehen) oder Maßnahmen, die diesen Zustand beeinträchtigen oder beeinträchtigen können, und über Tätigkeiten oder Maßnahmen zum Schutz dieser Umweltbereiche einschließlich verwaltungstechnischer Maßnahmen und Programme zum Umweltschutz.“

Zehn Jahre nach Einbringung der Richtlinie, am 29. Juni 2000, schrieb die Kommission der Europäischen Gemeinschaft, die Richtlinie RL 90/313/EWG gehe „von der Auffassung aus, daß Umweltfragen am besten unter Beteiligung aller betroffenen Bürger auf der entsprechenden Ebene behandelt werden können. Das Bewußtsein der Bevölkerung für Umweltfragen und die Beteiligung an deren Erörterung hängen vor allem vom öffentlichen Zugang zu Informationen ab. Indem die Richtlinie den Zugang zu Informationen über die Umwelt fördert, leistet sie einen Beitrag zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Umweltfragen und damit auch zur Verbesserung des Umweltschutzes.“

Überall in Europa nutzen Bürger die Gelegenheit, bei den informationspflichtigen Stellen – also nicht nur bei den Behörden, sondern auch bei dritten Institutionen und bei Privaten – Informationen über die Umwelt zu erfragen. Das hat zur Transparenz beigetragen und zu mehr Fairness für die Öffentlichkeit geführt, die endlich die Chance hat, zumindest im Umweltbereich besser an politischen Entscheidungen teilzuhaben. „Denn nur umfassende Informationen, für die durch ausreichende Informationsquellen Sorge getragen wird, ermöglichen eine freie Meinungsbildung und -äußerung, für den einzelnen wie für die Gemeinschaft“. (BVerfGE 20 162 (174))

Inzwischen ist die Richtlinie 90/313/EWG durch die Richtlinie 2003/4/EG ersetzt. Und mit der Aarhus-Konvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag in Kraft, der die Grundlagen der Informationsfreiheit im Umweltbereich sehr gefestigt hat.

Doch noch immer fällt es der deutschen Verwaltung schwer, diesen Kurswechsel vom Amtsgeheimnis zur Informationsfreiheit zu akzeptieren. Aber das ist momentan noch ein zu weites Feld, das ich weiter beackern werde.

Armin König

Die Umweltrichtlinie 90/313/EWG als Motor der Informationsfreiheit in Europa