Der streitbare „Oberhirte“ lässt verlauten!
„Der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner hat sich zum Auftakt des 98. Deutschen Katholikentags in Mannheim kritisch zu den aktuellen Treffen geäußert. „Katholikentage sind nicht mehr das, was sie mal waren.“ Es fehle „die katholische Mitte, bei der man die Verbundenheit und Einheit von Papst, Bischof, Priestern und dem Volk Gottes spürt“.
Ordnet man die Meldung des „Unabhängigen katholischen Nachrichtenportals“ www.kath.de in klassisch politisch-gesellschaftliche News-Kategorien ein, dann wäre der Meißner-Beitrag „Es fehlt die katholische Mitte“ mit Kategorie 5 noch gut bewertet. Ein Füller, absolut vernachlässigbar. Wenn wir ihn trotzdem hier kommentieren, dann deshalb, weil er die extreme Kluft zwischen kirchlichen Würdenträgern und den Katholiken so beispielhaft darlegt.
Ich weiß nicht, von welchen Zeiten und von welcher Mitte Meißner schreibt. Dass er basisnah sein kann, beweist er ja beispielsweise bei seinen Karnevalsmessen im Dom. Wenn es aber um fundamentale Fragen der Kirche, der Liturgie, der Lehre geht, auch um Kirchen-Moral, dann wird der Kölner Erzbischof zum Erzkonservativen – der anscheinend nicht anerkennen will, dass der Geist heute anders weht als vor dem 2. Vatikanischen Konzil.
Er will etwas erzwingen, was nicht zu erzwingen ist.
Nein, die Gehorsamsfrage braucht er nicht mehr zu stellen. Entweder repräsentieren wir Kirchenvolkschristen nicht die „katholische MItte“ oder „Papst, Bischof und Priester“ repräsentieren sie nicht. Die Koordinatensysteme verschieben sich immer weiter auseinander.
Und auch das Verhalten hat sich geändert. Die deutschen Katholiken sind nicht mehr die zahmen Schafe ultramontaner Oberhirten. Sie werden es auch nicht mehr.
Entweder gehen sie ins innere Exil und bleiben weg – oder sie leben ihr eigenes Leben nach bestem Wissen und Gewissen.
Natürlich gibt es auch weiter die Gruppe der frommen Gläubigen, die ihren Hirten und Oberhirten uneingeschränkt folgen. Das ist auch legitim. Doch ebenso legitim ist es, Fragen zu stellen, kritisch zu sein, zu glauben UND zu zweifeln.
Ich habe in den letzten vier Wochen zwei Jesus-Bücher gelesen: Das von Josef Ratzinger/Benedikt XVI und das von Hans Küng (das im wesentlichen aus „Christ sein“-Kapiteln besteht).
In beiden Jesus-Büchern gibt es zahlreiche Gemeinsamkeiten. Aber sie enthalten auch fundamentale Unterschiede. Küng verneint in ungewöhnlich scharfer Form den Macht-Anspruch und den Gehorsamsanspruch der Hierarchen.
Ja, die Kluft zwischen Amtsträgern der höchsten Ebenen und Kirchenvolk wächst. Der Katholikentag in Mannheim wird dies noch unterstreichen.
Es fällt mir leicht, zu sagen: „Dieser Erzbischof ist nicht mein Erzbischof“. Köln ist ja nicht mein Bistum, meine Diözese. Lebte ich in Köln, hätte ich als Lektor wohl eher ein Problem.
Damit wir uns recht verstehen: Ich bin kein Bilderstürmer, kein Revoluzzer. Aber ein kritischer Christ bin ich schon, der viele restaurative und reaktionäre Tendenzen, die derzeit aufblühen, in Frage stellt.
Ich gehe nicht wegen der Kirche in die Kirche, sondern wegen Jesus Christus. Er fasziniert mich. Das war auch der Grund, warum ich Ende April 2012 zum heiligen Rock nach Trier gepilgert bin.
Ich habe das Charisma des Ortes in Jerusalem am Ölberg, im Petersdom in Rom vor dem Reliquienschrein von Johannes XXXIII und an der Grotte in Lourdes erlebt. Es waren für mich faszinierende Erlebnisse.
Im katholischen Kirchenalltag ist dafür anscheinend leider kein Raum. Dabei hängt es doch offensichtlich nicht vom Ort ab, sondern vom Geist, der weht.
Ein engagierter Christ bin ich schon, aber kein angepasster, auch kein im klassischen Sinne „gehorsamer“, der alles für bare Münze nimmt, was von Oberhirten verkündet wird.
Trotzdem ist dieser Glaube mein Glaube, der mich trägt.
Meißners Belehrungen tragen dazu nicht bei.
Die Kluft wird größer. Die Hierarchen geben nicht nach. Die Konsequenz ist unvermeidlich:
Das Kirchenleben wird schwieriger.