Das ist mal ein schöner Slogan: „Wenn gestern doch nur morgen wäre!“ Natürlich ist das nicht der Slogan der Anti-Euro-Partei „Alternative für Deutschland“ und ihrer DMark-Nostalgiker. Es ist nur die Überschrift einer Reportage der Süddeutschen Zeitung über den AfD-Gründungsparteitag, aber eine schöne.
Es sind merkwürdige Typen, die sich dort versammelt haben. Da ist der Professor Bernd Lucke, der sich darüber grämte, dass die Kanzlerin und ihr Finanzminister sich nicht für seine Internetplattform „Plenum der Ökonomen“ interessiert hat. Schaut man sich die simple Internetseite des Plenums an und den eher dürftigen Inhalt, kann man Angela Merkel und Wolfgang Schäuble verstehen. Zwar haben viele deutsche Ökonomie-Professoren aus Sympathie mit ihrem Kollegen Lucke einen Gründungsaufruf unterzeichnet, aber ansonsten bleibt alles weitgehend harmlos und folgenlos. Spielt jetzt nicht eher unerfülltes Geltungsbedürfnis eine Rolle? Lesen wir seine Bio!
Es ist ja nett, dass Lucke Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes war. Aber das waren in den letzten Jahrzehnten über 50.000 talentierte Studierende. Muss er das herausstellen? In eine Biographie gehört das eher weniger. Was bedeutet es, dass Lucke ganze 2 Jahre „Leitungsreferent“ von Finanzsenator Pieroth in Berlin war? War er leitender Referent im Leitungsreferat? Persönlicher Referent? War es eine Einbahnstraße in der Verwaltung? Welche Art von Weltbank-Berater war er? Auf welcher Hierarchiestufe? Einfacher Consultant? Forscher? Leiter einer Forschergruppe?
Lucke war sehr lange wissenschaftlicher Mitarbeiter, wissenschaftlicher Referent, Referent, Assistent. Das ist im akademischen Betrieb oft so. Heute ist er Professor. Ein klarer Karriereschub. Das ist erfreulich für ihn und die Wissenschaft. Ist er als Ökonomieprofessor auch gleichzeitig ein talentierter Politiker? Die Politik hat ihn immer wieder zu Stellungnahmen herausgefordert. Von „blutleeren Auftritten“ ist die Rede. Das mag polemisch sein, ich weiß es nicht. Fakt ist: In der CDU ist Prof. Lucke nicht weit gekommen. Er ist dann zu den Freien Wählern und konnte auch dort nicht reüssieren. Jetzt endlich hat ihn die Welt (und das Handelsblatt) entdeckt – und im Sinne des Meutenphänomens haben auch andere Journalisten nun Interesse an ihm gefunden.
Das hängt sicher nicht nur mit Prof. Lucke, sondern auch mit den Ex-Journalistenkollegen Konrad Adam und Alexander Gauland zusammen. Konrad Adam war, als er noch als FAZ-Redakteur, Leitartikler und Kolumnist textete, immer Pflichtlektüre in allen CDU-Landtagsfraktionen, wohl auch in der CSU. Vor allem die Altphilologen in den Parlamenten waren begeistert von den erzkonservativen Standpauken Adams. Die Modernen hassten diese Pflichtlektüre. Ich musste sie auch lesen (zwischen 1985 bis 1987). Das war fast so schlimm wie die Pflichtlektüre der Leitartikel meines stellvertretenden Chefredakteur, als ich noch Volontär in der Politikredaktion einer bedeutenden Zeitung war. Plötzlich aber kam Frank Schirrmacher zur FAZ, und Konrad Adam war nicht mehr en vogue, nicht mehr erwünscht, nicht mehr passend. Er wechselte dann zur WELT. Am Ende hat er sogar Beiträge für die Ultrarechtspostille Junge Freiheit geliefert. Welch ein Abstieg!
Kaum besser finden wir den Ex-Staatskanzlei-Chef und Ex-Zeitungsherausgeber Alexander Gauland. Noch so ein unzufriedener Alt-CDU’ler vom alten Clausewitz-Haudegen-Schlag („Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln“), der sich im Rechtsblatt criticón ausleben durfte. Nichts gegen Konservative. Aber müssen sie immer einen Hegemonie-Anspruch erheben?
Bleibt noch eine wichtige personelle Frage:
Sollen die „elenden Skribenten“ (Wolfgang Koeppen) aus dem rechten Spektrum künftig die Zukunft Deutschlands und Europas (mit-)bestimmen? Durch Verantwortungsverweigerung? Gott bewahre! Andererseits: Was haben wir schon alles an Parteien in den Parlamenten erlebt und erlitten. Demokratie ist resistent und resilient. Das ist tröstlich.
Es gibt natürlich nicht nur Lucke, Gauland und Adam in der AfD. Die „Süddeutsche“ hat das Spektrum treffend beschrieben. Manche AfD-Protestlerin, mancher AfD-Protestler wehrt sich auf Twitter und auf Facebook gegen ungerechte Beurteilungen. Andere keilen zurück. Sagen wir mal so: Lobenswertes gibt’s von diesem Sammelsurium der Unzufriedenen leider nach meiner Kenntnis nicht zu berichten. Aber ich bin ja neugierig.
Natürlich hätten wir auch und vor allem jede Menge Sachfragen.
Wie sieht es mit dem Austritt aus dem Euro aus? Man möge uns erklären, wie es die AfD hinbekommen will, dass dabei nicht Milliarden Euro-Einlagen „kleiner Sparer“ vernichtet werden…
Und wollen die AfD’ler nun wieder Grenzkontrollen, Devisenumtausch, Retrowährung? Wir haben das doch alles jahrelang erlebt… – wer an der deutsch-französischen oder deutsch-luxemburgischen Grenze lebt, weiß, was gemeint ist. Ich habe keine Lust mehr auf Geldwechselei! Nirgendwo in Europa.
Es gibt weitere spannende Wirtschaftsfragen? Wollen die AfD’ler floatende Wechselkurse? Eine so starke Deutschland-Währung, dass die Wirtschaft nicht mehr exportieren kann?
Keine dieser Fragen ist beantwortet. Schade.
Macht aber nix, denken Marietta Slomka und Co. anscheinend, wenn ich die letzten Tage Revue passieren lasse.
Denn diverse Journalisten finden es spannend, die Kanzlerin ein bisschen zu ärgern, wenn schon Steinbrück das nicht schafft, und die Deutschen zu verunsichern, indem sie die neuen Alt-Politiker ein bisschen puschen. Und so haben die Luckes, Henkels und wie sie heißen plötzlich allenthalben ihre Sendezeiten, Couchauftritte, Henkelmannprotestminuten.
Kann man machen.
Ich finde dies trotzdem kontraproduktiv. Und nicht im Sinne der Demokratie. Im Sinne der europäischen Einigung ist das Wirken der Deutschtümler und Euroskeptiker schon gar nicht.
Die neuen Alten spielen das Spiel von gestern. Isolationismus! Oder deutsche Hegemonie?
Die neuen Alten spielen darüber hinaus das neue Spiel der Spekulanten. Und sie spielen nolens volens im weltweiten Währungs- und Wirtschaftskrieg den Amerikanern und ihren Bankkonzernen in die Hände. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Deshalb ist meine Position eindeutig: Diesen DMark-Nostalgikern muss man die Stirn bieten. Sie sind eine echte Gefahr. Und deshalb gibt es keine Gnade für die neuen Alten!
AK