Armin König

Eine ungehaltene Grundsatzrede

Heute werden Sie keine dieser üblichen Heringsreden hören, keine Bußpredigt, kää Balawer.
Ich will Ihnen heute das Kontrastprogramm präsentieren.
Nicht dieses bemüht komische, derbe Aschermittwochsgesülze.

Das ist eh nur noch ein fader Abklatsch dessen, was Franz-Josef Strauß geboten hat. Der kleine, dicke Strauß – ich habe ihn in Uchtelfangen erlebt, wie er polterte und dröhnte und wippte und schwitzte, wie er analysierte und kritisierte, wie er den Finger genüsslich in die Wunde legte und bohrte und gleichzeitig Vorschläge machte, mit der Sozialen Marktwirtschaft Deutschland zu einer Bank in Europa zu machen! – er fegte am Aschermittwoch wie ein Sturmwind durch die deutsche und internationale Politik. Natürlich könnte man heute nicht mehr so Politik machen wie er. Er würde längst vor dem Kadi stehen. Aber eines muss man feststellen:

Gegen den kleinen Metzgersohn Strauß ist der groß gewachsene Horst Seehofer nur ein kleines Würstchen. Seine bayerischen Eigenheiten und Skurrilitäten werden zunehmend arrogant und anachronistisch. Von Gauweiler, der so gern mit dem Feuer spielt, will ich gar nicht erst reden. Ich nenne das Politik von gestern, Politik aus dem letzten Jahrhundert. So kann man keine Zukunft gestalten.
Mit Maut und Euroskepsis ist die Welt von Morgen nicht zu bewältigen. Wir leben in Europa. Und wir leben von Europa. Nur deshalb sind wir so stark, und wer dies in Frage stellt, ist entweder ein Ignorant oder ein Demagoge. Ich glaube allerdings nicht, dass der Topanwalt Gauweiler ein Ignorant ist.

Wo Hybris hinführt, sehen wir bei einem berühmten Verein, der in München ansässig ist – nein, nicht beim FC Bayern, sondern beim ADAC. Große Klappe, große Macht, aber Konzepte von gestern, viel Pferdestärken und viel heiße Luft. Wir stellen fest: Keine Frauen in der Führung und keine Idee von der Zukunft. Und keine Mitgliederbeteiligung. Statt dessen Herrenreiter und Machtpolitik.
Nicht Pferde gestalten die Zukunft von Morgen, auch nicht Pferdestärken aus Verbrennungsmotoren.
Menschen bauen Zukunft. Mit Hirn und Emotionen. Mit Begeisterung als Treibstoff. Und auch mit Gefühl. Mit Mitgefühl und Gerechtigkeit, mit Kreativität und mit viel Mut. Denn den brauchen wir.

In der Informationsgesellschaft, der Zeit der sozialen Netzwerke und der weltweiten Verflechtung brauchen wir neue Wege, neue Strategien, neue Rezepte. International. National und lokal.
Ein Dorf ist nicht die Welt, hat Dürrenmatt noch geschrieben. Heute kann man das so nicht mehr unterschreiben, auch wenn Habach nicht Hamburg ist. Die Welt spielt sich im Dorf ab, im Glocal Village des 21. Jahrhunderts. Mit allen Chancen und Gefahren: Geschäfte schließen, Arbeitsplätze gehen verloren. Wir registrieren Kaufkraftabfluss, Alterung, Schrumpfung. Leerstände zwingen zu Anpassungsmaßnahmen.
Weil die Kunden bei Amazon und bei Zalando kaufen, weil sie dem „Geiz-ist-geil“-Lockruf folgen, zerstören sie selbst die Lebensgrundlagen ihrer Orte. Aber das will ich Ihnen nicht zum Vorwurf machen. Das Rad der Zeit lässt sich ja nicht zurückdrehen. Es kommen noch ganz andere Umbrüche auf uns zu. Das große Brodeln hat ja schon begonnen.
Ich will Sie aber sensibilisieren.
Sie haben einen Schatz zu verteidigen. Geben Sie ihn nicht leichtfertig auf.

Reden wir also von morgen, reden wir vom 21. Jahrhundert und handeln wir entsprechend. Hic Salta, hic Rhodos.
Wem gehört die Zukunft? Uns – oder namenlosen amerikanischen Konzernen? Russischen Oligarchen? Chinesischen Staatskonglomeraten? Maschinen? Algoritmen, die uns manipulieren?
Es sind Fragen, die derzeit in Büchern und Zeitungen gestellt und diskutiert werden.
Von Frank Schirrmacher. Von Jaron Lanier. Von Wissenschaftsjournalist Gero von Randow und anderen Publizisten.
„Das Ende der Welt wie wir sie kannten“ – erklären Claus Leggewie und Harald Welzer. Und der gibt auch die Antwort, wie wir darauf reagieren sollten: „Selbst denken.“ Um die Zukunft zu gestalten. Unsere Zukunft.

Dazu möchte ich anregen, dazu möchte ich Sie ermuntern: Zur Gelassenheit in einer hypernervösen Erregungsdemokratie, von der der Philosoph Peter Sloterdijk gesprochen hat.
Es ist nicht ganz einfach, gelassen zu bleiben in einer Zeit der Turbulenzen, der gefallenen Helden, der entzauberten Institutionen.
Ein Bundespräsident wird von einer wild gewordenen Meute wegen eines Oktoberfestbesuchs und eines Bobbycars zur Strecke gebracht. Es geht um 753,90 Euro. Über seine Torheiten, seinen ungeschickten Umgang mit den Medien, seinen Mailbox-Anruf bei BILD-Chefredakteur Kai Dieckmann will ich hier nicht sprechen, das ist ein anderes Thema. Aber das, was letztlich verhandelt wurde, war kein Grund, ihn in ein absurdes, Millionen teures Gerichtsverfahren zu zerren und ihn auf eine Art am Pranger bloßzustellen, wie wir das aus dunklen mittelalterlichen Zeiten kannten. Das ist nicht die Justiz, die die Väter des Grundgesetzes wollten. Das war kafkaesk. Das roch schon nach Gesinnungsjustiz und die ist inakzeptabel. Die Justiz hat unparteiisch und gerecht zu sein. Und sie hat für Rechtsfrieden zu sorgen. Deshalb ist es absurd, dass diese hannoveraner Staatsanwaltschaft Wulff weiterverfolgt. Das ist völlig unverhältnismäßig.
Vergleicht man die 753,90 Euro des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff mit den 18,5 Millionen Euro, die der geständige Bayern-Präsident Uli Hoeness dem Staat rechtswidrig entzogen hat, dann müssen diesem Staat und auch vielen Medien die Maßstäbe entglitten sein. Ein Bundespräsident wird wegen Ungeschicklichkeit gestürzt, ein Multimillionär hält sich mit Hilfe seiner Multimillionärsfreunde im Aufsichtsrat und in mächtigen Medien im Amt. So läuft das hier. Aber es läuft nur so, weil wir das alles akzeptieren.
Und das macht kaum weniger Sorge als die völlig inakzeptablen Spionageaktivitäten der NSA, die Bürgerrechte von hunderten Millionen Menschen mit einer Hybris missachten, die bis dato völlig jenseits aller Vorstellungen war.

Und in einer solche Zeit des Umbruchs sollen die die Welt verändern Die Welt verbessern?
Aber natürlich.
Papst Franziskus macht uns doch Mut.

Er sagt, was er denkt.
Diese Wirtschaft tötet, sagt er.
Wir brauchen eine Kirche der Armen.
Wir müssen Farbe bekennen.

Er hat Recht.
Wir können die Welt verändern, wir können Zukunft gestalten, wenn wir nicht nur defensiv den Status Quo verwalten.

Das ist keine Gesundbeterei.
Das ist Strategie. Dass die funktioniert, sehen wir im Sport und in der Wirtschaft.
Einer der genialsten Unternehmer der Welt war Steve Jobs, der Apple-Chef. Er war Charismatiker, Entdecker, Erfinder, Zukunftsgestalter, Weltveränderer. Gewiss, er war auch ein geniales Arschloch – aber das war nicht zwingend notwendig, um den Mac, das iphone und das iPad zu erfinden.
Bevor er die Welt so radikal veränderte, wie er das mit Apple und itunes und iPhone und iPad gemacht hat, war er in der tiefsten Krise seines Lebens. Er war aus seiner eigenen Firma gedrängt worden. Gefeuert. Machtlos. Und zunächst einmal depressiv.
Er hat dann drei Dinge gemacht:
Er hat seine Lage kritisch analysiert.
Er hat mutige Mitstreiter und Investoren gesucht.
Und er hat sich ein völlig neues Betätigungsfeld gesucht. Den Film.
Und dort hat er radikal Neues erprobt.
Er hat die besten, die kreativsten Köpfe um sich geschafft, er hat gearbeitet wie ein Besessener, und er hat ein Produkt geschaffen, von dem er absolut überzeugt war.
Es musste gut aussehen, gut funktionieren, und es musste einfach sein.
Einfach überzeugend.
Und dann hat er einfach losgelegt.

Und da wären wir wieder bei unserer Erkenntnis:
Nicht Pferde gestalten die Zukunft von Morgen, auch nicht Pferdestärken aus Verbrennungsmotoren.
Menschen bauen Zukunft. Mit Hirn und Emotionen. Mit Begeisterung als Treibstoff. Und auch mit Gefühl. Mit Mitgefühl und Gerechtigkeit, mit Kreativität und mit viel Mut. Denn den brauchen wir.

Beginnen wir mit der Bestandsaufnahme, so wie Steve Jobs dies auch gemacht hat.
Ich werde auch in diesem Punkt offen und unbequem sein.
So haben wir es bei unserem Projekt Illingen 2030 gelernt. Und es war richtig und wichtig.

Erste Erkenntnis:
Wir stecken im Saarland in einer tiefen Krise.
Ich halte nichts davon, darüber erst nach der Kommunalwahl zu sprechen. Wer sich die Finanzlage der Kommunen anschaut, wer die Finanzlage des Landes analysiert, wer die Zukunftsperspektiven offen und ehrlich aufzeigt, kommt zu einer fundamentalen Erkenntnis:

Das Saarland muss sich neu erfinden oder es wird von Landkarte verschwinden. Es ist gut, dass die Ministerpräsidentin Townhall-Conferences abhält, es ist gut, dass wir erstmals wieder seit den 90er Jahren eine abgestimmte Saarlandkampagne haben, die von der Chefin persönlich verantwortet wird. Aber es ist nur ein Teil der Problemlösung.
Zur Analyse.
Die meisten Kommunen in den westlichen Bundesländern sind seit 2011 wieder im Aufwärtstrend. Viele haben seit 2012 sogar Überschüsse.
Im Saarland ist die Lage ganz anders. Die Saar-Kommunen sind abgekoppelt vom Bundestrend. Sie haben auch 2012 und 2013 wieder rote Zahlen geschrieben. Sie finanzieren den laufenden Betrieb mit Überziehungskrediten von 1865 Euro pro Einwohner. Das ist eigentlich eine Katastrophe. Die Höhe dieser Liquiditätskredite liegt im Saarland mittlerweile bei 1, 9 Milliarden Euro. Hinzu kommen noch die klassischen Kredite für Investitionen. Bis Ende 2011 lag die Gesamtverschuldung der saarländischen Kommunen bei 6,32 Milliarden Euro. Das ist ein einsamer Rekord in Deutschland. Pro Einwohner sind dies 6224 Euro. Seit 2000 haben sich die Schulden der saarländischen Gemeinden um 93,4 Prozent erhöht. Das ist fast eine Verdoppelung.
Nun werden Sie fragen, ob es vielleicht daran liegt, dass die Einen besser mit Geld umgehen können und die Anderen weniger gut. Oder dass die kleinen Gemeinden mehr Probleme haben als die großen. Stimmt aber nicht. Nur Saarbrücken ragt negativ heraus. Dort sind die Überziehungskredite dreimal so hoch wie anderswo im Land. Ansonsten sehen wir – wie der Saarländer sagt – „quer durch de Gaarde“ ein dramatisches Bild. Und deshalb ist es absurd, wenn die Saarbrücker sich jetzt auf Kosten des Rests sanieren wollen. Die sollen erst einmal vor der eigenen Haustür kehren. Ungeachtet dessen ist die Haushaltslage quer durchs Land problematisch bis dramatisch.
Das lässt darauf schließen, dass die Kommunen zu schlecht ausgestattet werden, um ihre verfassungsrechtlichen Aufgaben zu erfüllen. Das Land sagt, uns geht es noch schlechter. Aber das ist kein Argument. Die Selbstverwaltung der Kommunen ist durch das Grundgesetz verfassungsrechtlich garantiert. Darauf pochen wir, und davon sollten wir kein Jota abweichen. Wenn es ums Ganze geht, müssen wir Farbe bekennen.

Zweites Problem: Gewerbesteuer- und Einkommensteueraufkommen sind im Saarland zu niedrig. Wir erreichen nur 70 Prozent des Bundesdurchschnitts. Das Saarland ist zu schwach und zu arm.
Das klingt hart, ist aber die Wahrheit. Und die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar. Hat Ingeborg Bachmann gesagt.
Fakt ist: Die Finanzkraft reicht kaum aus. Die saarländischen Kommunen haben mit Abstand das geringste Finanzvolumen pro Einwohner in Westdeutschland.
Gleichzeitig haben wir die größten Probleme. Und die sind nicht selbstverschuldet. Im Kreis Neunkirchen hat sich die Kreisumlage in den letzten zwölf Jahren mehr als verdoppelt. Illingen hat 2003 rund 3,5 Millionen Euro Kreisumlage und heute über 8 Millionen gezahlt. Das kann kein Mensch ausgleichen. Über viereinhalb Millionen mehr – soviel kann niemand sparen.
Wir zahlen und zahlen, obwohl Eppelborn und Illingen die geringsten Sozialprobleme im Kreis haben, kaum Migranten, eine durchschnittliche Arbeitslosigkeit. Das lässt darauf schließen, dass auch das System der Kreisumlage völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Neunkirchen mit den größten Sozialproblemen schreibt schwarze Zahlen, weil die Illtalgemeinden über die Kreisumlage die Neunkircher Probleme mitbezahlen. Es sind so hohe Lasten für Neunkirchen, dass wir als eigentlich gesunde Gemeinden nun durch die Umlage mit dem Rücken zur Wand stehen. Das ist ungerecht.

Drittes Politik- und Problemfeld:
„Wird die Demokratie ungerecht?“, hat der Politikwissenschaftler Felix Ekart gefragt.
Ich sage Ihnen: Die Demokratie ist schon ungerecht.

Wir Kommunen müssen für Dinge bluten, die wir nicht zu verantworten haben.
Dazu gehören vor allem Soziallasten: Kosten der Unterkunft, Hartz IV, Unterbringung von schwierigen Kindern und Jugendlichen in Heimen. Das alles sind de jure Aufgaben der örtlichen Sozialhilfe, obwohl wir längst keine örtlichen Sozialämter mehr haben. Wo ist der Ortsbezug? Der leigt jetzt beim Kreis. Und der legt die Kosten auf alle um. Wir werden gewissermaßen umgelegt. Wildwest im Kreis. De facto sind hohe Sozialhilfe-Aufwendungen ein Zeichen für gesamtgesellschaftliche Probleme. Dafür aber ist der Bund zuständig. Er hält sich allerdings an den Kommunen schadlos. Die Kreise müssen bluten.
Über die Finanzkraft wird das Geld, das gebraucht wird, von den Kommunen einfach abgeschöpft. Wir im Illtal werden so geschröpft, dass am Ende nichts mehr übrig bleibt. Die Folge: Wir stehen in ein paar Jahren vor der Pleite, müssen Einrichtungen schließen und können die kommunale Selbstverwaltung in den Wind schießen.
Ich bin nicht bereit, dies so zu akzeptieren.
Eine Viertel Milliarde Euro – 250 Millionen Euro – sind in den letzten sechs Jahren in diesem unserem Kreis für Sozial- und Jugendhilfe gezahlt worden. Das ist ein irrer Betrag. Wo kommt der her? Wo geht der hin? Muss das alles sein? Oder gibt es Alternativen? Wieso kostet es 60.000 bis 90.000 Euro im Jahr, ein Kind ins Heim zu stecken? Gibt es Alternativen?
Wie viel zahlen wir stattdessen, um neue Arbeitsplätze zu schaffen? Wie viel für die Unterstützung von Familien und Erziehung und Bildung?
Wir Kommunen sparen uns Tode. Auf der anderen Seite werden in einigen Sozialbereich Millionen ausgegeben. In anderen Feldern, wo bisher sinnvoll Arbeit gefördert wurde, wird geknausert.
AB-Maßnahmen werden gestoppt, damit die Bilanz der Bundesagentur besser aussieht, Fördermaßnahmen gestrichen, um den Bundeshaushalt aufzupeppen, und wir fahren hier vor die Wand, weil nicht nach Bedarf gefördert wird. Das ist so absurd. Niemand denkt ganzheitlich. Jeder denkt bürokratisch-fiskalisch nur an sein Töpfchen.
Wäre es nicht billiger, in jeder Gemeinde eine gebundene Ganztagsschule einzurichten, um dort die Problemkinder aufzufangen? Wäre die Förderung und Finanzierung von Arbeit nicht viel produktiver, als eine viertel Milliarde in ein Fass ohne Boden zu werfen, ohne dass dort Mehrwert entsteht?

Wir müssen bestimmte Fragen neu diskutieren!

Viertes Thema:
Demographie.
Auch wenn es der Eine oder Andere nicht gern hört:
Es ist das Megathema.
Wir können ihm nicht ausweichen.
Und wir brauchen auch nicht über die Datengrundlagen zu debattieren. Zensus hin oder her:
Demographie findet statt.
Wir altern und wir schrumpfen.
Im Saarland ist dieser Trend besonders stark, der Kreis Neunkirchen gehört auch hier zu den Trendsettern. Den negativen Trendsettern.
Um dies zu prüfen, gibt es zwei Instrumente: die Bevölkerungsfortschreibung und die koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Die Bevölkerungsfortschreibung ist sehr exakt. Daran können wir erkennen, dass wir Einwohner verlieren: Illingen mittlerweile 2800. Und wir haben es fast nicht bemerkt.
Was wir aber sehen und merken, sind die Leerstände.
Wir managen sie, wir bekämpfen sie in Illingen. Wir haben Erfolge, aber wir können nicht zaubern.
Andere Kommunen haben jahrelang so getan, als gäbe es diese Probleme dort nicht.
Das ist Quatsch.
Es gibt viele Hausleerstände im ganzen Land.
Das ist ein Marktproblem, es ist ein Nachfolgeproblem, es ist ein Energieproblem, und es ist ein Preisproblem.

Seit „Illingen 2030“ wissen die Illinger Bescheid. Sie sind bereit, Häuser auch zu einem niedrigeren Preis zu verkaufen. Wir als Gemeinde haben jahrelang Zuschüsse gezahlt. Wir haben umgenutzt, beraten, Eigentümer genervt, damit sie verkaufen. Das ist natürlich kein klassisches Verwaltungshandeln. Es ist so etwas wie offensives Management. Und das von einer Behörde. Geht aber. Man braucht nur die richtigen Leute.
Und man braucht ein Ziel: Lebendige Gemeinde. Aktive Gemeinde. Mobile Gemeinde.
Dazu gehört, dass Einwohner sich selbst einbringen. Dass sie sich einmischen und mitmischen. Dass sie Ideen entwickeln, dass sie kämpfen um ihre Gemeinde. Dass sie Hand in Hand mit der Politik, der Verwaltung und mit Vereinen und Institutionen arbeiten. Und auch das geht.
„Was alle angeht, können nur alle lösen“, hat Friedrich Dürrenmatt gesagt.
Seit „Illingen 2030“ packen die Illinger besonders oft an. Bei Zukunftswerkstätten. Bei Bürgerprojekten wie der Schutzhütte Hüttigweiler. Beim Bürgerprojekt Rassweiler.
Wir reißen nicht nur ab – das auch, mit plakativen Slogans wie „Platz da!“ oder „Ich bin als Nächstes dran“. Wir bauen auch Leuchttürme wie das Kinderhaus. Und auch das JUZ ist ein Gemeinschaftsprojekt, die Hirztaler Schaukäserei ist ein voller Erfolg.
Wir können aber nicht zaubern.
Wenn ein Viertel der Einwohner weg ist, wird es keine 5 Kunstrasenplätze mehr geben. Ich wette, in Zukunft werden auch im Illtal Kirchen geschlossen. Und öffentliche Einrichtungen.
Das geht viele an. Vielleicht sogar alle. Und was alle angeht, können nur alle lösen. Darüber muss man reden.
Kommunikation ist fast alles.
Selbst wer nicht redet, kommuniziert.
Er macht etwas deutlich.
Zum Beispiel, dass er – oder sie – Dinge lieber allein entscheidet. Einsam. Von oben herab. Oder, dass er – oder sie – Angst hat vor offener Kommunikation. Weil er oder sie nicht weiterweiß.
Es ist keine Schande, etwas nicht zu wissen. Aber zwei wissen mehr als eine oder einer. Und hundert können ein ganz neues Projekt stemmen.
Man darf nur nie so tun, als wisse man alles – oder sogar alles besser.
Schon in meiner Antrittsrede habe ich gesagt: Ich bin kein Wundermann, der alles weiß und alles kann.
Aber in einem Thema kenne ich mich wirklich so gut aus wie kaum ein Politiker im Saarland:

Ja, Demographie ist eine Herausforderung.
Ja, Demographie ist ein Problem.
Ja, Demographie erfordert Lösungen, die wir noch gar nicht kennen.
Es gibt aber auch die zweite Seite der Medaille:
Ja, Demographie ist auch eine Chance.
Eine Chance, alte Zöpfe abzuschneiden.
Eine Chance, neue Bande zu knüpfen.
Eine Chance, zu digitalisieren, zu rationalisieren.
Eine Chance, zu sensibilisieren und zu aktivieren.

Ja, ich mag dieses Thema.
Ich kämpfe darum, ihm den negativen Touch zu nehmen.
Es stimmt ja:
Wir erleben gerade das Ende der Welt, wie wir sie kannten.
RWE – dieser Saurier der Energiewirtschaft – hat zum ersten Mal seit 40 Jahren Milliardenverluste geschrieben.
RWE steht am Abgrund.
Und was machen die Manager, die Millionen im Jahr verdienen?
Peter Terium und seine Vorstandskollegen rufen nach dem Staat.
Jürgen Grossmann, dieser Hüne, hat dies schon gemacht – nach Fukushima. Die Kanzlerin hat er beschimpft, statt seiner Führungsaufgabe gerecht zu werden und die Energiewende zu managen.
Dieser Konzern hat wahre Schätze, und wir sind ja auch RWE-Aktionäre, deshalb kennen wir diese Schätze: Daten. Informationen. Netze. Ich meine nicht die physikalischen, die sind in der Tat teuer. Ich meine eben auch die virtuellen.
Aber da ist kein Steve Jobs in Sicht.

Das Bild, das die RWE-Führung bei der Bilanzpressekonferenz gegeben hat, war ein Bild des Jammers. Und es erinnert mich in fataler Weise an die Situation, als der hochbezahlte Saarberg-Vorstand uns Provinzbürgermeister Ende der 1990er Jahre – vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte – ins Saarbrücker Gästehaus eingeladen hat, damit wir Landbürgermeister unsere Parteien zu einer anderen Kohle- und Energiepolitik bewegen. Das war so absurd. Leute, die achtmal so viel verdienen wie ein Bürgermeister flehen um Hilfe in unternehmerischen Fragen.
Das Ende ist bekannt.

Mit den alten Rezepten ist die neue Zeit nicht zu gewinnen.
Es gelten heute neue Gesetze.
Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.

Und trotzdem sage ich: Wir dürfen keine Angst haben vor Veränderungen.

Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann.
Wir müssen die Richtung, die Strategie, die Politik ändern.

Dazu brauchen wir Menschen, die anders denken und anders handeln. Von Behörden können wir dies nicht unbedingt erwarten.
Wir brauchen Führungspersönlichkeiten, die das Heft in die Hand nehmen, für neue Wege sensibilisieren und dann die Ärmel hochkrempeln und verändern. Männer und Frauen, die Mut haben, Politik zu machen, Farbe zu bekennen für die CDU. Beamte sind keine Politiker. Moses war kein Oberamtsrat. Von dieser bürokratischen Ebene erwarte ich keine Rettung.
Es geht nur über Politik. Professionelle und Ehrenamtliche.
Und da muss die CDU Zeichen setzen.
Wir sind die Guten.
Wir sind die Mutigen.
Wir brauchen den Schulterschluss.
Einen Vorteil haben wir: Die FDP kann uns keine Politik mehr aufzwingen, nach der wir alles der unsichtbaren Hand des Marktes überlassen. Es gibt keine unsichtbare Hand des Marktes.

Die CDU hat Erfahrung in Modernisierung.

Adenauer und Erhard haben Deutschland mit der Sozialen Marktwirtschaft aufgebaut.
Heiner Geißler und Norbert Blüm haben mit ihren Schwarzen Visionen eine gesellschaftliche Modernisierung auf den Weg gebracht, die man damals eher linken Partien zugetraut hätte, die aber damals an sich selbst und ihren inneren Konflikten gescheitert sind.
Und Angela Merkel räumt seit dem Jahr 2000 überkommene kosnervative gesellschaftliche Positionen, um Deutschland fit für das 21. Jahrhundert zu machen. Wirtschaftlich sind wir ein Riese in Europa. Gesellschaftlich müssen wir noch viel verändern.
Ja, es gab auch Sozialdemokraten, die wichtige Veränderungen vorgenommen haben: Brandt mit der Ostpolitik war einer der Großen. Und Schröder hat Hartz IV auf den Weg gebracht.
Aber gerade Hartz IV ist für uns heute eine der größten Hypotheken überhaupt. Weil man vergessen hat, den Mindestlohn als Kompensation einzuführen. Wenn Menschen von ihrer Hände Arbeit nicht mehr leben können, müssen die Kommunen einspringen und Sozialhilfe zahlen.
Das ist eines unserer Probleme. Es hat uns Milliarden gekostet. Schluss dmait. Wir brauchen eine faire gesellschaftliche Lastenverteilung. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit, aber auch der Leistungsfähigkeit. Schlag nach bei Pau Kirchhof, dem Professor aus Heidelberg. Sein Buch „Das Maß der Gerechtigkeit“ – von einem konservativen Christdemokraten und weit blicken Verfassungsrechtler – dürfte auch Managern die Augen öffnen. Wirtschaft ist keine Einbahnstraße. Man muss auch etwas zurückgeben. Das ist Gerechtigkeit im Sinne von John Rawls. Und es lohnt sich sogar für alle. Eine maßlose Ego-Gesellschaft hat keine Zukunft.

Und deshalb ist es unser Job als Christdemokraten, das richtige Maß wieder zu finden, die richtige Mitte.
Das Beamtenrecht stammt aus dem 18. Jahrhundert. Mit formalistisch-juristischen Ansätzen lassen sich die großen Themen der Zeit nicht lösen, weder global noch lokal.
Die reine kapitalistische Lehre mit der unsichtbaren Hand des Marktes hat sich als Illusion erwiesen. Wir erleben in Illingen seit 13 Jahren auf dem Höllgelände, was diese unsichtbare kapitalistische Hand hinterlässt: 18.000 Quadratmeter Probleme, vor allem aber Bruch und Dalles. Und zwischen dem Schutt liegt der Meisterbrief des alten Höll, vergessen und verloren.
Zu verantworten hat die Situation auf dem Höllgelände in Illingen einer der wichtigsten deutschen Medien- und Stiftungsmanager des letzten Jahrzehnts, Ex-Bertelsmann-Chef Gunter Thielen und seine Familie. Hinterlassen haben sie Schutt und Asche. Das hat mit dem grundgesetzlichen Gebot „Eigentum verpflichtet“ nichts, aber auch gar nichts mehr gemein.

Wem gehört die Stadt, die Gemeinde und wer regiert sie?

Seit Stuttgart 21 dürfte dies klar beantwortet sein: Wir. Die Bürgerinnen und Bürger und ihre Repräsentanten, nicht namenlose Groß-Investoren.
Wir sind froh, dass wir einen Investor aus Illingen gefunden haben. Dazu die LEG unter Bernd Therre, der aus dem Illtal stammt, aus Uchtelfangen, der Mut hatte, und uns vertraut. Dazu gehört auch der ASB, der ebenfalls ins Invest einsteigt.
Die Parteien und die Verwaltung haben gerackert, allen voran mein Mitarbeiter Ludger Wolf, der nie locker gelassen hat.
All dies wäre aber auch nicht denkbar ohne die Bürgerinnen und Bürger.
Bei der vor ort ideenwerkstatt mit den Österreichern um Roland Gruber haben die Bürger 1362 Ideen eingebracht. Und das in drei Tagen.
Gigantisch.!
Und Roland Gruber hat dies in die Planungen eingebaut. Das muss ein Erfolg werden.

Aber wir sind noch am Anfang.
Uns steht noch ein hartes Stück Arbeit bevor. Aber ich bin sicher: Wir schaffen das.

Wem gehört die Zukunft?
Das ist der Titel eines faszinierenden neuen Buches des Digital-Freaks Jaron Lanier. Er warnt vor einer Geiz-ist-Geil-Mentalität, die den Mittelstand zerstört und ihm das notwendige Geld entzieht.
Wir sind es, die bei Amazon einkaufen, die bei Zalando kreischen. Wir sind es, die in den großen Malls einkaufen und damit den Einzelhändlern die Kaufkraft entziehen. Aber auch die Einzelhändler müssen endlich handeln. Sie müssen sich zusammenschließen. Sie müssen Nischen finden. Sie müssen ihre Werbung, ihr Marketing koordinieren. Und sie müssen echte Dienstleister sein. Ich sage nur: Öffnungszeiten.
Was alle angeht können nur alle lösen.
Dafür müssen wir viel mehr zusammenarbeiten.

Die alten Verwaltungsstrukturen werden nicht halten.
Wie digitalisieren wir unsere Prozesse?
Wir kommen wir wieder näher an unsere Bürgerinnen und Bürger ran?
Wir kommunizieren wir? Persönlich und digital?
Wir wollen ja DA SEIN. Barrierefrei zugänglich.
Wir wollen wieder Zeit haben für unsere Bürger. Das ist möglich, wenn wir uns anders organisieren. Wir müssen Strukturen knacken, Fesseln lösen.
Das Ende der Welt, wie wir sie kannten, wird uns vor große Herausforderungen stellen. Wir können sie mutig annehmen oder resignieren.
Ich kämpfe lieber, und ich bin damit 18 Jahre gut gefahren.
Bisher haben wir Herausforderungen immer hervorragend bewältigt.
Deshalb brauchen wir Mutige, Menschen, die neugierig sind, die mitmischen wollen, die sich einmischen, die verändern.
Wir brauchen Menschen, die sich begeistern lassen und die andere begeistern.

Wem gehört die Zukunft?
Die Zukunft gehört denen, die neu denken, die anders handeln, die die Verhältnisse zum Tanzen bringen, die Mut und Begeisterung haben.
Wir brauchen mehr Pep und mehr Klopp.
Die Pep Guardiolas dieser Welt beweisen, dass man die Welt verändern kann. Dass man siegen kann. Dass man begeistern kann.
Es ist unsere Welt, es ist unsere Gemeinde. Es ist unser Ort.
Allein sind wir klein. Gemeinsam können wir Viel erreichen.
Und genau darum geht es:
Um unsere Zukunft.
Was uns angeht, können nur wir lösen.
Dafür möchte ich Sie begeistern. Es lohnt sich.