Armin König

Flach-Sinn im Quadrat – Die FAZ-Rangliste der Ökonomen ist Humbug

„Auf diese Ökonomen hört das Land“, tönt die FAZ. Dabei preist sie ihre „Rangliste der Ökonomen“ (FAZ 207, S. 22) gleich viermal an: Als Aufmacher im Wirtschaftsteil  („Auf diese Ökonomen hört das Land“, S. 19), als Kommentar („Hört den Experten zu“, S. 19), als Erklärstück („So entstand die Rangliste der Ökonomen“, S. 22) und als Sinn-Lobhudelei („Der Euro-Streiter“, S. 26). Da muss akute Artikelnot bei der FAZ geherrscht haben. In solchen Fällen kann man auf mehrfache Weise abhelfen: mit großen Fotos (Sinn beim Telefonieren – so hat man Artikel vor 30 Jahren illustriert), mit einer bunten Ranking-Liste nach Art des Focus oder mit einer Vielzahl ähnlicher Artikel zu einem Thema.

„Ist das Kunst oder kann das weg?“ – dieser Buchtitel ist mir zuerst eingefallen, als ich den Wirtschaftsteil der FAZ gelesen habe. Aber so einfach sollten wir uns die Sache nicht machen. Es macht ja Sinn, um es ungermanistisch denglisch, aber treffend zu formulieren, den FAZ-Kronzeugen Hans Werner Sinn in den Himmel zu heben, wenn man ihn als WirtschaftsleiDmedium  immer wieder selbst zitiert.

Hätte der Chef des Münchener Ifo-Instituts („Ich bin als politischer Ökonom angetreten, die Welt zu verbessern“) nicht schon so viel Flach-Sinn verbreitet, hätte ich mir kaum die Mühe gemacht, der Sache mit den einflussreichsten Ökonomen auf den Grund zu gehen. So hat die FAZ die öffentliche Wirkung anhand von Zitaten und Umfragepunkten in Medien und bei Politikern und Ministerialen ermitteln lassen und dann mit einem höchst merkwürdigen Punktsystem „gewichtet“, das nicht ganz an gelbe Engel heranreicht, aber höchst verzerrend wirkt. Wie man mit Mediengeplauder bei FAZ, Morgenmagazin und anderen Medien an die Spitze rückt, wissen Ökonomen, die fernsehöffentlich aktiv sind: Je querer das Zitat, desto größer die Chance, von Medien wahrgenommen zu werden. Und da man mit den beiden Kategorien Medien und Politik gleich doppelt punkten kann, ist ein Sieg in diesen Kategorien schon die doppelte Miete.

Nun könnte man die Punkte so verteilen, dass Sinn 250, Marcel Fratzscher 249, Clemens Fuest 248 Punkte, Lars Feld 247 bekäme. Das wäre aber womöglich nicht im Sinne der FAZ und ihrer Rankingmacher, denn Sinn ist im Sinne des Rankings forschungsschwach und erhält dort nur 65 Punkte. Damit liegt er unter „ferner liefen…“

Also gab es „proportionale“ Punkte, was immer dies bedeutet. So hat Sinn in den gewichtigen Kategorien als viel zitierter Querschießer jeweils 250 Punkte, der jeweilige zweitplatzierte aber nur 201 (Marcel Fratzscher, Medien) bzw. 212 (Peter Bofinger, Politik) Punkte. Noch schlimmer trifft es die ausgewiesenen und in der Fachliteratur viel zitierten Forschungsgrößen Axel Ockenfels (Universität Köln) und Ludger Wößmann (Ifo-Instiut). Ockenfels, immerhin drittwichtigster Ökonom in der FAZ-Liste erhält im Medienranking ganz Punkte, im Politikranking gar null Punkte. Mit Verlaub: Das ist hirnrissiger Quatsch. Wößmann kommt in der Medienwirkung auf 10 Punkte, im Politranking auf 3 Punkte.

Würde man statt der „proportionalen“ Gewichtung eine lineare zugrunde legen, würde die Liste mächtig durcheinandergewirbelt – und Hans Werner Sinn wäre nicht mehr die Nummer eins, sondern Einer unter Vielen. Marcel Fratzscher wäre dann Sieger. Axel Börsch-Supan vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Martin Hellwig vom Max-Planck-Institut für Gemeinschaftsgüter würden dann mächtig nach vorn rücken. Auch Claudia Kemfert würde einen Sprung nach vorn machen.

Wobei auch ein solches Ranking seine Tücken hat.

Vollends absurd wird der FAZ-Hubug, wenn Patrick Bernau „seine“ vierfach gepuschte Liste zum Maßstab aller Dinge für die Politik machen will (Bürger, hört auf diese Ökonomen!).

Sehr geehrter Herr Bernau, Ihre Liste ist das Papier nicht wert, auf das sie gedruckt ist. Wer Hans-Werner Sinn zum Sinn des ökonomisch-politischen Lebens macht, macht den Leicht-Sinn den Maßstab aller Dinge. Das ist flachsinnig.

Vergessen wir den Humbug. Und wenden wir uns wichtigeren Dingen zu.

P.S.:  Dass die unvermeidlichen Eurogegner, Henkel- und Hankel-Anhänger, Starbatty-Fans und AfD-Jünger ihren flachsinnigen und schwachsinnigen Senf unter die elektronischen VErsionen der FAZ-Artikel setzen, wunder nun gar nicht.

Was mich allerdings überrascht, ist ihr missionarischer Eifer, der nah am Geifer ist.

P.S.2: Dass Sinn zwar von der Politik und in den Ministerien wahrgenommen, aber nicht ernst genommen wird, legt das Ranking nahe. Das war sicher so nicht gewollt.

 

Armin König