Kommunikationsdefizite? Fragen an die Pfälzer Polizei anlässlich eines Fußballbundesligaspiels auf dem Betzenberg

Ich bin ein friedlicher Fan. Und ich bin Wahlbeamter (Bürgermeister) mit hoher Zustimmungsquote. Ich bin Mitglied der Christlich-Demokratischen Union und schätze das Thema Sicherheit – auch in meiner Gemeinde. Mein Verhältnis zur Polizei in Illingen, im Landkreis Neunkirchen und im Saarland und zu sämtlichen „Polizeiministern“ der letzten Jahre würde ich als sehr gut bezeichnen. Deshalb stehe ich auch nicht im Verdacht, der Polizei unfaire Fragen zu stellen. Trotzdem muss ich der Polizei von Kaiserslautern, der Polizei der Pfalz und dem Verantwortlichen für Einsätze bei Bundesligaspielen ein paar kritische Fragen stellen. Als ich das auf Facebook ankündigte, haben gute Freunde schon im Vorhinein darauf hingewiesen, dass die Polizei einen schwierigen Job mache und dass zwar 99 Prozent der Fans friedlich seien, dass es aber wegen des 1 Prozents notwendig sei, bestimmte Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen. Ich sehe das auch so. Aber vielleicht haben Einsatzleiter auch die Pflicht zur Kommunikation. Das will ich vorausschicken, bevor ich berichte, analysiere und frage.

Anlass war das Fußball-Bundesligaspiel zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Borussia Mönchengladbach. Wie üblich bin ich mit dem Zug von Homburg nach Kaiserslautern gekommen. Ich habe einen jungen Mann mit Schwerbehinderung begleitet, der gern zu seinem 1. FCK fährt. Seinen Betze-Platz hat er geschützt im Familienblock. Und das ist gut so.

Der leicht verspätete Regionalexpress 23035 war spätestens ab Homburg sehr voll, weil es im Saarland nicht nur eine große FCK-Anhängerschaft, sondern auch einen starken Block mit Gladbach-Anhängern gibt. Und weil mit Patrick Herrmann ein Illinger – aus meiner Gemeinde also – im Trikot der Fohlen spielt, sind nicht nur ältere Herrschaften aus Netzer-Weisweiler-Zeiten Fans der Gladbacher, sondern auch Nachwuchsfußballer aus der E- und D-Jugend. Entsprechend viele Kinder waren im Regionalexpress nach Lautern unterwegs (und später auf dem Weg zum Stadion durch alle Schleusen). Es gab übrigens keine Sicherheitsbeamten im Zug, was zumindest für die Rückfahrten zu empfehlen wäre. Aber das ist ein anderes Feld. Nachdem der Fanexpress gegen 14:05 Uhr in Gleis 8 eingelaufen war, strömten die Fußballfreunde in gewohnter Manier dem Ausgang entgegen, wurden aber zum ersten Mal abrupt gestoppt, weil es an der Treppe plötzlich staute. Da alle vernünftig waren, entstand nur ein wenig Druck – ein bisschen aber schon. Wildfremde Menschen diskutierten, ob vielleicht kurz vorher ein Fanexpress mit Gladbachfans eingelaufen war, die nun zum Betzenberg begleitet werden mussten. Wir konnte es es uns aber nicht erklären (andere erklärten uns ja nichts) und mussten erst einmal warten. Die Ausgabe des „Kicker“s, die ich in Homburg am Bahnhof gekauft hatte, verkürzte mir das Warten. Andere telefonierten oder smsten, wieder andere versuchten, via iPhone zu twittern. Allerdings schien entweder der Twitter-Server oder die Internet-Verbindung bereits stark ausgelastet. Nach endlos erscheinenden Minuten, die objektiv vermutlich recht kurz waren (Zeit ist relativ), setzte sich der Menschenstrom dann doch in Bewegung, um in der Unterführung zum ersten Mal auf größeren Widerstand zu stoßen. Üblicherweise gehen wir von Gleis 8 nach rechts Richtung Südausgang, um auf schnellstem Weg zum Betze zu gelangen. Nach knapp fünf Metern kamen uns die ersten Fans wieder entgegen. Leider war nicht genau erkennbar, ob die in schwarz gekleidete Bereitschaftspolizei nun nur Gladbachfans durch die Schleuse ließ, um sie persönlich zu begleiten oder ob sie den Ausgang komplett abriegelte, weil eine Gefahr bestand oder weil man die Fans insgesamt kanalisieren wollte. Die jungen Beamten sagten auch nichts. Was hätten sie auch sagen sollen?!

Zum ersten Mal empfand ich Beklemmung: Wegen des unerwarteten Gegenverkehrs im unerwarteten Gedränge, wegen der polizeilichen Abriegelung, die ich subjektiv als Risiko empfunden habe und wegen der Unmöglichkeit, in einer fremden Stadt den gewohnten Weg zu gehen. Das kommt vor. Es beunruhigte auch meinen jungen Begleiter, er sagte aber nichts. Es war ihm lediglich anzumerken und anzusehen. Ich dachte zum ersten Mal: Duisburg.

Notgedrungen gingen wir Richtung Hauptausgang, wo erfreulicherweise zunächst mehr Platz war. Von dort machten wir uns zielsicher auf den Weg zum Kreisel – um dort erneut gestoppt zu werden. Die Polizei hatte vor der Unterführung mit zwei quer gestellten Mannschaftswagen eine Barriere gebaut, um die Fans durch eine künstliche Schleuse zu schleusen. Mobile Händler rechts und links sorgten ohnehin dafür, dass der Strom der Besucher an den Seiten aufgehalten wurde, während wie üblich bei Schleusen Druck durch nachrückende Fans – Lautrer und Gladbacher bunt gemischt – erzeugt wurde. Mir wurde jetzt mulmiger, da ich schon wieder unfreiwillig aufgehalten wurde und mich zudem mit einem gehandicapten Begleiter in eine immer enger werdende Masse fand. Wieder dachte ich: Duisburg, nun allerdings intensiver. Und: So schafft man künstlich Druck in einer Masse. Und so kann dann auch Panik entstehen. Ich sagte innerlich Omh und war wieder ruhig.

Die Freunde und Helfer zeigten sich gar nicht freundlich, sondern in ihrer schwarzen Montur – z.T. mit Helm – eher Furcht einflößend. Ich verstand dies zwar nicht, akzeptierte es aber notgedrungen. Irgendeiner sagte: Wenn du jetzt maulst, kanns noch passieren, dass du viel später erst oben ankommst. Ich maule ja nie, aber kritisieren wollte ich schon, zumindest fragen. Ich fragte dann aber nicht, weil ich mit meinem Begleiter rechtzeitig im Familienblock 20.1 sein wollte. Es würde mich aber schon interessieren, was man den jungen Polizisten in der Lagebeschreibung gesagt hatte. Es würde mich auch interessieren, warum man nicht mit einem Mikro über die Mannschaftswagen mal kurz informieren konnte. Stattdessen hatte ich den Eindruck, als Farben tragender Fußballfan unter Generalverdacht zu stehen. Aber vielleicht interpretiere ich die Situation auch falsch. Ich hätte auch gern gewusst, ob die künstliche Schikane nur aufgebaut wurde, um besser filmen zu können und ob dies ausgerechnet im Bereich einer Unterführung (durch diese hohle Gasse muss er kommen) so erfolgen musste. Mir machen solche klaustrophobischen Situationen ein bisschen Sorge. Und ich war nicht der Einzige. Wie gesagt: Ein paar informierende Worte hätten genügt. Ich weiß nicht, ob es eine Bombendrohung gab – so jedenfalls waren die Beamten ausgerüstet. Und wenn es sie gab, hätte man erst recht bestimmte Hürden kommunikativ vermitteln können.

Wenn es allerdings nur Sinn und Zweck der Aktion war, Lauterer und Gladbacher Fans zu trennen, dann ist dies gründlich danebengegangen. Wir hätten Hand in Hand oder Faust auf Faust den Betzenberg erklimmen können. Erfreulicherweise standen an jeder Ecke jede Menge sportlicher junger Beamtinnen und Beamten. Manche wirkten betont lässig, andere extrem angespannt. So unterschiedlich, wie Beamte im Einsatz eben sind. Das machte mich sicher. Die gefielen mir. Und sie wirkten auch nicht bedrohlich – wie einige ihrer Kollegen rund um den Bahnhof und die Unterführungen.

Eine Stunde nach Ankunft des Zugs kamen wir schließlich am Eingangstor des Betzenbergs an – viel später als sonst. Und auch die Kontrollen waren diesmal streng. „Mützen ab“, forderte der Security-Ordner. „Warum?“ wollte ich wissen. „Sprengstoff!“ herrschte er mich an. Gab’s doch ne Bombendrohung? Ich weiß es nicht.

Auf dem Rückweg nach dem 3:0-Erfolg suchten wir schließlich den Fußgänger-„Highway“ Richtung Bahnhof, um wieder auf eine aufgerüstete Polizei- und Videoeinheit zu treffen, die erneut eine Sperre aufgebaut hatte. Und wieder dieses mulmige Gefühl, eingeschlossen zu werden – obwohl dieses Gefühl völlig unbegründet war. Ich hatte es nur. Bei aller Sicherheit fühlte ich mich diesmal extrem unwohl und verunsichert. Muss das so sein? Kann man das nicht anders kommunizieren? Hat die Polizei mal einen Psychologen eingeschaltet, der ihnen erklärt, wie ganz normale Menschen wie du und ich, die an einem Wochenende ein Fußballbundesligaspiel sehen wollen, auf eine Situation reagieren, die sie als schikanös oder unausweichlich oder gefährlich ansehen?

Vielleicht gab es eine Bedrohungssituation, sei es durch Ultras, sei es durch Hooligans, sei es durch andere Gewalttäter. Ich habe Verständnis dafür, dass die Beamten dann angespannt sind und unter allen Umständen dafür sorgen wollen, alles unter Kontrolle zu haben. Vielleicht gab es sogar eine Bombendrohung. Dann war die gesamte Kanalisierung und Schleusung völlig in Ordnung.

Wenn es aber nur eine ganz normale Fußballbundesligafansituation ohne besondere Bedrohungssituation gab, dann sollten die Chefs die Gesamtlage vielleicht doch einmal mit einem Psychologen oder einer Psychologin intensiv diskutieren. Mir jedenfalls war ganz schön mulmig zumute. Dabei wollte ich nur ein harmloses Fußballspiel sehen.

Der 3:0-Erfolg der Roten Teufel hat dann für alles entschädigt. Aber ein paar Antworten hätte ich schon gern. Auch für meine eigene Sicherheitspraxis.