Illingen und der Mauerfall

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

als vor zwanzig Jahren die Mauer fiel, hat dies die Welt verändert. Deutschland wurde eins, die Menschen rückten zusammen und freuten sich auf eine gemeinsame Zukunft. Auch wir hatten (wie tausende andere deutsche Kommunen) Anteil an dieser Entwicklung, nicht nur mitfühlend und mitfiebernd , sondern auch ganz praktisch. Turnhallen wurden geräumt, um DDR-Übersiedlern eine vorübergehende Bleibe zu geben, Vereine, Bürger waren solidarisch, man half einander und praktizierte Solidarität. Es war mit Einschränkungen verbunden, aber die Hoffnung auf eine gemeinsame friedliche Zukunft ließ uns alle diese Einschränkungen im Alltag vergessen. Wir waren „Deutschland einig Vaterland“. Dass es danach mehr als einmal knirschen würde im Getriebe, weil kaum einer ahnte, wie marode das sozialistische System der DDR war, war so nicht zu erwarten. Unverständnis, Ärger, gefühlte Benachteiligungen, Kampagnen, aber auch tatsächliche Probleme wie rechtsextremistische Exzesse irritierten, verstörten und störten auch das Zusammenwachsen. Doch es gab markante Ereignisse, in denen diese Schwierigkeiten vergessen wurden. Erinnern Sie sich noch an unsere tatkräftige Hilfe beim Oder- und beim Elbehochwasser? An gelebte Solidarität, an der auch die Hilfsorganisationen beteiligt waren? Und immer öfter können sich alle gemeinsam freuen, wie bei der Fußball-WM oder wenn am Brandenburger Tor Silvester oder Einheit oder Völkerverständigung gefeiert wird. Dass wir mit Angela Merkel eine Kanzlerin haben, die die deutsche Wiedervereinigung im In- und Ausland überzeugend repräsentiert, erleichtert den Prozess des Zusammenfindens. Allmählich tritt das ein, was wir alle erwartet und erhofft haben: Normalisierung. Es wird sicher keine Vereinheitlichung geben, doch das ist im Föderalismus nichts Ungewöhnliches und auch gar nicht gewollt. Andrerseits haben wir jetzt tatsächlich eine Friedensdividende. Wer heute von Illingen nach Dresden fahren will, setzt sich morgens um 12 vor 6 in den Zug und kann via Saarbrücken direkt per ICE in die Stadt der Semperoper und der Frauenkirche fahren – ohne Grenzkontrollen, ohne Schikanen, ohne Zwangsumtausch. Wer je den Schikanen der DDR-Grenzer ausgesetzt war, weiß, was gemeint ist. Es waren viele Menschen aus Illingen, die dies erlebt haben: bei Busfahrten nach Berlin, bei Bahnfahrten zum Deutschen Turnfest, bei Verwandtenbesuchen. Die DDR war ein Unrechtsstaat, der man keine Träne nachweinen muss. Heute haben Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Freizügigkeit in ganz Deutschland und ganz Europa. Man kann wählen, ob man ab Ensheim, Hahn oder Zweibrücken nach Berlin fliegt oder mit der Bahn fährt. Tagesausflüge sind genauso möglich wie nach Paris oder München. Die Fahrt nach Schwerborn ist ein innerdeutscher Verwandten- und Bekanntenbesuch, Illinger studieren in Magdeburg oder Leipzig, andere haben im Osten ihre berufliche Aufgabe gefunden. Wir haben allen Grund, uns zu freuen – auch über ein Land, das sich verändert und die Zukunft im Blick hat.

In diesem Sinne eine gute Woche

Ihr Bürgermeister Armin König