Demographie ist nicht sexy. Schrumpfen, Altern, Rückbauen und Abreißen sind keine Themen, die erfolgsorientierte Politikerinnen und Politiker zu großen Taten animieren. Ich war zunächst auch nicht begeistert davon. Heute bin ich Demographie-Freak.
Denn der demographische Wandel ist ein Megathema, das viele Politikbereiche berührt. Im Kern geht es um die Frage, wie wir morgen leben wollen, wenn eine Gesellschaft schrumpft und altert. Das schlägt sich seit einiger Zeit in Buchtiteln und Schlagzeilen nieder.
Provoziert der demographische Wandel eine Epochenwende in Deutschland und Europa? Steht die Mobilmachung für den „Krieg der Generationen“ bevor, den Schirrmacher in seinem Bestseller „Das Methusalem-Komplott“ beschwört? Wird die Bevölkerungsmehrheit der Alten künftig ihre Interessen kämpferisch zu Lasten der jungen Generation durchsetzen? Wie verkalkt wird ein alterndes Deutschland sein, dem die Jugend und die Frische fehlt? Rauben wir unseren Kindern und Enkeln – wenn wir sie denn haben – Lebens- und Entwicklungsperspektiven? Sind wir dann „Zukunftsdiebe“, um einen Begriff von Heidi Schüller aufzugreifen?
Oder müssen wir keine Angst haben in einem allmählich vergreisenden Land, weil wir ewig jung bleiben und nur die Anderen altern, wie Elisabeth Niejahr ironisch bemerkt?
Dürfen wir vielleicht sogar rufen: „Toll, endlich Platz“ (Straubhaar 2005), weil wir weniger lästige Nachbarn in unserem persönlichen Schrebergarten-Umfeld ertragen müssen? Freuen wir uns über mehr Dorf für weniger Menschen?
Hier lesen Sie unsere Erfahrungen aus dem Projekt Illingen 2030.
Armin König: Demographie kompakt
Nichts bleibt, wie es ist, wir erleben das „Ende der Welt, wie wir sie kannten“ (Leggewie/Welzer) und müssen nun Transformationsprozesse gestalten, die von der lokalen bis zur europäischen Ebene reichen. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Deshalb führt an fundamentalen Veränderungen kein Weg vorbei. Menschen hassen solche Umbrüche. Sie wollen Sicherheit. Umso wichtiger ist es, die zu erwartenden Veränderungen gut zu managen. Man muss nicht fatalistisch zuschauen, sondern kann zumindest in Teilbereichen vernünftig steuern. Einfach wird dies allerdings nicht.
Patentrezepte gibt es nicht. Wir sind mitten in einem dynamischen Prozess, der in unterschiedlichen Regionen auch sehr unterschiedlich verläuft.
Demographischer Wandel soll nicht passiv erlitten, sondern offensiv gestaltet werden. Dass dabei das Thema Nachhaltigkeit eine zunehmend wichtige Rolle spielt, ist positiv zu bewerten. An der Notwendigkeit, jetzt aktiv zu werden, besteht deshalb kein Zweifel. Das ist die Wahrheit, und die Wahrheit ist den Bürgern zumutbar, um mit Ingeborg Bachmann zu reden.
Die Handlungsanweisungen lauten:
Problemlösung statt Attentismus oder Fatalismus, strategi-ches Handeln statt Durchwurstelei, partizipative Planung statt Basta-Entscheidungen von oben, Kooperationen statt interkommunalem Kannibalismus.
Wir erleben das Ende der Welt, wie wir sie kannten. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Deshalb führt an neuen Konzepten und mutigen Weichenstellungen kein Weg vorbei.
Die Zukunft gehört denen, die Mut haben. Die Zukunft gehört denen, die Kommunen neu positionieren. Die Zukunft gehört de-nen, die sich nicht scheuen, Ballast abzuwerfen und dafür neue Techniken, neue Netzwerke, neue Kommunikationswege zu erproben. Es lohnt sich.
Die Zukunft gehört denen, die proaktiv handeln. Die Kommunen haben keine Zeit zu verlieren.
Armin König
Inhaltsverzeichnis
Schrumpfen und verkalken?
Abenteuer Demographie
Der demographische Wandel ist mitten in der Gesellschaft angekommen
Paradigmenwechsel
Die Zeit ewigen Wachstums ist vorbei
Das Ende der alten Lokalpolitik
Begriffsbestimmungen
Demographischer Wandel
Bevölkerungsfortschreibung
Bevölkerungsstatistik
Bevölkerungsentwicklung
Bevölkerungsbilanz
Bevölkerungsanalysen
Demographische Trends
Bevölkerungsvorausberechnung
Demographie und Infrastruktur
Essentials zur Demographie
1 Demographischer Wandel ist Realität
2 Paradigmenwechsel
3 Das Ende der Gleichwertigkeit?
4 Schrumpfung akzeptieren
5 Nicht abwarten, sondern handeln: Infrastruktur optimieren
6 Neupositionierung der Kommunen
7 Zurück in die Mitte – Warenangebote sichern
8 Aus Verantwortung Flächen schonen
9 Vorrang für Generationenpolitik
10 Demographischer Wandel erfordert Partizipation
11 Jugendinteressen wahren
12 Politik für Ältere und Barrierefreiheit
13 Menschengerecht statt autogerecht
14 Nachhaltigkeit und Accessibility
15 Kooperieren statt kannibalisieren
16 Bildung als Schlüsselfaktor
17 Bürger- und Solidargemeinde
18 Leerstände und Neubaugebiete
19 Platz da! Das Abrissprogramm
20 Revitalisierung im Quartier
21 Interkommunale Kooperation
22 Regionalmanagement
23 Sprengt alte bürokratische Ketten!
24 Kultur und Identität
25 Partizipation hat Grenzen
26 Was uns Mut macht
27 Vom Check zur Tat
28 Strategie statt Durchwurstelei, Mut statt Furcht
Literatur