Ich schreib das jetzt ungern, weil ich Iris Radisch als Literaturkritikerin eigentlich schätze. Aber das, was sie in der neuen ZEIT über Helene Hegemann und ihre Kritiker schreibt („Die alten Männer und das junge Mädchen – Warum das männliche Kulturestablishment auf Helene Hegemann einschlägt), ist einfach Quark, um nicht drastischer zu formulieren.
Ihr Artikel ist billiger Kampflinien-Journalismus – und das bei einer sonst so souveränen Kritikerin. Liebe Frau Radisch: Es interessiert mich nicht, ob es in Ressortleiterkonferenzen aussieht „wie in jemenitischen Teehäusern“. Mich interessiert aber als Leser, ob Sie Helene Hegemann unter der Rubrik „patriarchalisches Frauenförderprogramm“ abhandeln oder unter Qualitätsgesichtspunkten. Und ein wenig interessiert mich als Schreiber, ob sie denen, die da schreiben, ihr Urheberrecht zugestehen oder ob sie – um dem ach so armen geprügelten Bestseller-Mädchen aus der Berliner Theaterszene nicht allzu weh zu tun – großzügig relativieren und ein Teilplagiat als notwendiges Beiwerk unserer Pop-Kultur akzeptieren.
Sie fabulieren: „Reden wir nicht davon, dass die ansonsten beträchtliche ästhetische Urteilskraft der Herren im Fall dieser begabten jungen Frau blind zu sein scheint. Reden wir nur von dem unerhörten, in die Zeit der Backenbärte zurückweisenden misogynen Ton, mit dem das männliche Establishment eine bedrohlich junge, bedrohlich virtuose und bedrohlich bedenkenlose Autorin aus seinem Hoheitsbereich verbannen möchte.“
Doch, reden wir davon.
Gehören Sie nicht zu denen, die gerade Talenten auf die Finger schauen, um sie dann mehr oder weniger energisch zu kritisieren, auf dass sie besser werden?!
Aber diese dämliche Formulierung vom „unerhörten, in die Zeit der Backenbärte zurückweisenden misogynen Ton, mit dem das männliche Establishment eine bedrohlich junge, bedrohlich virtuose und bedrohlich bedenkenlose Autorin aus seinem Hoheitsbereich verbannen möchte“, ist leider nur Flachsinn – überkandidelte Wortgirlanden ohne Substanz.
Sie, liebe Frau Radisch, wollen partout verhindern, dass eine schrille Pseudoliteratin, die Quellen remixt, als postliterarisches Medienphänomen entlarvt wird.
Was für ein literaturwissenschaftlicher und rezeptionsästhetischer Radau:
„Die Komplettauslöschung der jungen Autorin wird dem Kommando Otto Weininger, das sich gegen Helene Hegemann im Feuilleton zusammengefunden hat, indess nicht gelingen. Denn die Frage, warum Hegemanns Datendiebstahl und ihre Jelineksche, in der Tat schrille und hochnervöse Sprachperformance die Fußnoten-Wächter derartig gegen sich aufbrachte, ist mehr als nur ein Fall für den Gleichberechtigungsbeauftragten. Sie ist symptomatisch für die Kollision zweier Medienkulturen, die bisher wie zwei luftdicht verschlossene Monaden nebeneinanderher existierten: die eine nahezu rein männlich, akademisch legitimiert und schon etwas in die Jahre gekommen, die andere ein wenig jünger, ein wenig weiblicher und viel autodidaktischer; beide hoch spezialisiert und jede auf ihre Weise betriebsblind für die andere. “
„Komplettauslöschung“? „Kommando Otto Weininger“ – was ist das eigentlich für eine Sprache? Und was für eine Ideologie? Da ist der Grenzübertritt zur Bösartigkeit nicht mehr weit, wenn man liest, wer Weininger war und was er geschrieben hat.
Quelle Provocation! Aber, Frau Radisch, in meinen Ohren klingt das trotzdem nur schrill.
Die männlichen Kritiker als Fußnotenwächter, die sich zum Frauen vernichtenden Kommando Otto Weininger zusammenfinden? Ich will jetzt nichts Literatur-Psychoanalytisches anführen, dazu fehlt mir die intime Kenntnis der Texte (dunkel erinnere ich mich an ein Hauptseminar zu Kafka, in dem es um Penisneid und ödipale Komplexe ging und bei der auch Elfriede Jelinek am Rande erwähnt wurde).
Hegemanns Textkorpus setzt auf Monströsität und Provokation. Das mag man goutieren oder nicht – ganz wie im Theater. Mir gefällt’s nicht, das ist eine Frage des Geschmacks und der Ausrichtung.
Was mir aber ebenso wichtig ist, ist die Frage des Könnens: Hier ist jemand hochgepusht worden, der diese Erwartungen niemals erfüllen kann. Bis jetzt jedenfalls nicht. Diese junge, literarisch hochstapelnde Dame Hegemann nun mit martialisch-feministischem Kriegsgeschrei rauszuhauen, ist ein bisschen billig. Schade, Frau Radisch.
Schon Goethe hat darauf hingewiesen, dass Quark Quark bleibt. Und est stimmt tatsächlich: Getretner Quark wird breit, nicht stark“.
Armin König