Jüdisches Bashing gegen Sophie von der Tann

Ich bin gerade entsetzt darüber, wie die Israel-Korrespondentin Sophie von der Tann zum Bashing-Opfer israelischer Hardliner wird. Bisher habe ich die Jüdische Allgemeine und ihre Schreiberinnen und Schreiber nicht als Hardliner betrachtet.
Als langjähriger Israel-Freund und ehemaliger Nachrichten- und Politikredakteur bin ich aber schon sehr überrascht, wie aggressiv man die profilierte junge Journalistin jetzt attackiert. Sie habe den Hanns-Joachim Friedrichs-Preis nicht verdient, heißt es in einem extrem polemischen Kommentar der Jüdischen Allgemeine. Er müsse ihr wieder aberkannt werden, heißt es im Kern. Das ist absurd. Ja, es stimmt: Sophie von der Tann agiert nicht (wie einige ihrer BR-Vorgänger) als Regierungserklärererin des israelischen Kabinetts, sondern als Journalistin, die auch andere Seiten und Meinungen zu Wort kommen lässt. Sie macht das auf sehr moderne Art. Sie ist doch keine Hamas-Fürsprecherin, wenn sie die Rechte der Palästinenser anspricht.
Das ist der Auftrag der Journalistinnen: Audiatur et altera pars: Beide Seiten hören.
Dass bei der Kommentierung der Jüdischen Allgemeine zu Sophie von der Tann sogar Shoa und Holocaust und Auschwitz bemüht werden, dass man die Jury des Hanns-Joachim-Friedrich-Preises auf eine Art persönlich attackiert, gegen die man sich kaum wehren kann, finde ich ziemlich schlimm.
Das ist Cancel-Culture auf sehr rabiate Art.

Unterdessen hat sich die Journalistin Sophie von der Tann am Donnerstag gegen Kritik an ihrer Arbeit verteidigt. Im »ARD-Morgenmagazin« sagte die Reporterin des Bayerischen Rundfunks in Tel Aviv, Unterstellungen, sie schüre mit ihrer Berichterstattung aus Israel und den Palästinensergebieten Judenhass, indem sie parteilich und verzerrt zulasten der israelischen Seite über den Nahost-Konflikt berichte, entbehrten jeglicher Grundlage.

»Mich trifft das auch persönlich. Ich lebe in dem Land«, sagte die 34-Jährige, die seit 2021 im ARD-Studio Tel Aviv arbeitet und heute gemeinsam mit ihrer Kollegin Katharina Willinger mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Medienpreis ausgezeichnet wird. Sie habe enge Freunde, die vom Hamas-Überfall am 7. Oktober 2023 betroffen seien und Angehörige verloren hätten.

Trotz allem sei es ihr Job als Journalistin, die »Balance zu schaffen zwischen Empathie und Distanz«, so von der Tann. »Empathie, um diese Menschen zu verstehen und um über ihre Schicksale berichten zu können. Distanz, um sich nicht vereinnahmen zu lassen und auch, um sich selbst zu schützen. Diese Balance versuchen wir jeden Tag aufs Neue zu halten und zu berichten, nach journalistischen Standards kritisch einzuordnen, Informationen abzugleichen, zu überprüfen. Und dafür haben wir diesen Preis bekommen«, fügte sie hinzu.

Fehler kämen vor, so von der Tann. »Wir sind alle Menschen.« Sie nehme sachliche Kritik an ihrer Arbeit sehr ernst. Um sich zu verbessern, sei es wichtig, sich damit auseinanderzusetzen. Diffamierungskampagnen und vollkommen haltlosen Unterstellungen» indes müsse man selbstbewusst entgegentreten. Das gehe hin bis zu Hass und Hetze im Internet, die justiziabel sein könne.

Dr. Armin König