Julia Klöckner und der umstrittene Besuch bei Hetzpropaganda-Finanzier Gotthardt

Trotzdem kein Rücktrittsgrund
Ein Kommentar von Armin König

Die Linke und manche Ortspolitiker der SPD fordern den Rücktritt von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU), weil sie an einem Sommerempfang der CDU Koblenz teilnimmt, der in den Geschäftsräumen der CompuGroup Medical von NIUS-Finanzier Frank Gotthardt stattfindet.

Das ist natürlich eine unsinnige Forderung.
Und sie entwertet das politische Instrument der Rücktrittsforderung. Das habe ich – man lese und staune; Ironie des Schicksals und der Zeitenläufe – als Pressesprecher der CDU-Landtagsfraktion von Oskar Lafontaine (damals SPD) gelernt. Wir haben damals immer wieder Rücktritte gefordert. Das war Unsinn. Man darf die Rücktrittsforderung nicht inflationär einsetzen. Dann verpufft sie. Hat Lafontaine damals gesagt. Haben wir damals selbst erkannt.
Die Rücktrittsforderung ist auch in diesem Fall nicht sinnvoll.
Ich sage das als Nicht-mehr-Politiker und nicht-mehr-CDUler, der bei bunt.saar war und heute parteilos ist.
Ganz objektiv-subjektiv.
Die Kleiderordnung ist eingehalten.
Julia Klöcker nimmt an einem CDU-Sommerfest in ihrer Heimat teil. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Dass dieser bei Gotthardt, dem Hetzplattform-Förderer stattfindet, darf man kritisieren (auch heftig). Aber das ist dann eine politische Debatte. Die braucht man ja auch. Schärfe ist erwünscht.
Aber:
Wenn eine Partei gewählt ist und Mehrheiten hat, hat sie eben auch Gestaltungsmacht und Gestaltungsfreiheiten. Das kann man mögen oder nicht – dann muss man eben für andere Mehrheiten kämpfen.
Das ist Demokratie. Macht auf Zeit.
Und wenn man einen Rücktritt fordert, dann den von JENS SPAHN.
Dort stinkt’s zum Himmel.
Dort geht’s um Milliardensummen.
Dort geht’s um mögliche Compliance-Verstöße mit Folgen.
Dort geht es um ganz konkrete, schwerwiegende Vorwürfe, die im Raum stehen und die (es gilt die Unschuldsvermutung!) unter Umständen strafrechtliche Relevanz haben, wenn da mal endlich jemand rangeht (Untersuchungsausschuss wäre auch hilfreich).
Also: Spahn-Rücktritt fordern und sich darauf fokussieren.
Aber Klöckner darf natürlich bei ihrer CDU reden.
Sogar bei Gotthardt.
Auch wenn das ein bisschen fegefeurig ist.
Dazu hat die SPD Koblenz eine vernünftige Presseerklärung abgegeben.
AK
zur Ergänzung die Presseerklärung der SPD Koblenz
Julia Klöckner und die CDU Koblenz werden derzeit in den sozialen Medien heftig für eine geplante Veranstaltung in den Räumen der CompuGroup Medical SE kritisiert. Es wird sogar gefordert, die Veranstaltung wegen der Nähe des Unternehmensgründers, Frank Gotthardt, zum rechtspopulistischen Onlinemedium „Nius“ abzusagen.
Die SPD Koblenz hat dazu folgende Haltung:
Dass die CDU Koblenz eine Veranstaltung in den Räumen eines Koblenzer Unternehmens durchführt, ist für uns kein Grund zur Kritik. Prosperierende Unternehmen sind unverzichtbar für die Demokratie, und die CompuGroup Medical SE ist ein erfolgreicher Betrieb mit rund 1.500 Mitarbeitenden.
Dass Julia Klöckner bei diesem Empfang Hauptrednerin ist, haben wir ebenfalls nicht zu kritisieren. Allerdings wird sie – auch wenn sie möglicherweise in anderer Funktion kommt – immer auch als Bundestagspräsidentin wahrgenommen und sollte deshalb mit politischen Positionierungen zurückhaltend sein. Wenn es ihr darum geht, unsere parlamentarische Demokratie zu stärken, begrüßen wir dies natürlich.
Wofür wir keinerlei Verständnis haben, ist die Finanzierung des rechtspopulistischen Onlinemediums „Nius“ durch den Gründer der CompuGroup Medical SE, Frank Gotthardt. „Nius“ verbreitet Unwahrheiten, leugnet den Klimawandel, hetzt gegen Migrant*innen und LGBTQ-Personen, schreckt vor persönlichen Diffamierungen nicht zurück und hatte entscheidenden Anteil an der verleumderischen und ehrabschneidenden Kampagne gegen die Juraprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf. Chefredakteur von „Nius“ ist der wegen sexueller Übergriffe auf Abhängige und Drogenkonsum am Arbeitsplatz entlassene ehemalige BILD-Chefredakteur Julian Reichelt.
Dass Gotthardt als ehemaliger Landesvorsitzender des CDU-Wirtschaftsrats ein solches Medium, das unserer Demokratie nachweislich Schaden zufügt, finanziert, ist uns völlig unbegreiflich.
Wir erwarten, dass Bundestagspräsidentin Julia Klöckner gegenüber Herrn Gotthardt eindeutig Position bezieht und ihre durch unsere Verfassung eingeräumte Funktion als Hüterin der parlamentarischen Demokratie dafür nutzt, ihn aufzufordern, die Zahlungen für dieses Medium einzustellen.
Darüber hinaus erwarten wir von der CDU Koblenz, dass sie Herrn Gotthardt gegenüber zum Ausdruck bringt, dass ein Engagement für die CDU und für ein demokratiefeindliches Medium wie „Nius“ nicht miteinander vereinbar sind.