Die Saarbrücker Zeitung hat nach der letzten Gemeinderatssitzungen meinen Satz zitiert: „Wenn wir klug sind, sagen wir den Bürgern, dass härtere Tage auf sie zukommen“. Wenige Tage später sagte Werner Dirnberger bei der Nikolauswanderung des TV Hüttigweiler zu mir: „Das ist nicht das erste Mal, dass die Zeiten härter werden. Wir haben schon ganz andere Zeiten erlebt – und geschafft.“ Aber er fand’s gut, dass nicht um den heißen Brei geredet wird. Hintergrund war eine Diskussion im Gemeinderat, wo es darum ging, ob dem Bürgermeister bei der nächsten Haushaltsdiskussion der schwarze Peter für unpopuläre Vorschläge zugeschoben werden soll. Wer so denkt, unterschätzt die Bürgerinnen und Bürger. Sie wollen keine taktischen Spielchen, sondern klare Aussagen und eine gute Strategie.
Fakt ist: Ich muss Vorschläge machen, wie wir die Gemeindefinanzen sanieren, der Gemeinderat muss beschließen, was umgesetzt wird, da ist jeder in der Verantwortung. Und deshalb ist es am Besten, wenn wir das kooperativ machen. Wir sitzen alle in einem Boot. Und wir müssen Sanierungsvorschläge machen. Das gehört zu unserer Verantwortung, die wir übernommen haben: als Bürgermeister oder als Ratsmitglieder. Ich bin nicht als Schönwetterbürgermeister gewählt worden. Deshalb werde ich meinen Teil der Verantwortung tragen.
Kann man Wahlen mit unbequemen Wahrheiten gewinnen? Ja, das kann man. Illingen beweist das. Wir haben beim Thema demographischer Wandel die Vorreiterrolle übernommen und immer wieder die Wahrheit gesagt: dass wir schrumpfen und dass wir altern. Das ist eigentlich keine Strategie, mit der man Wahlen gewinnen kann. Andere verschleiern das lieber, reden um den heißen Brei. Was hilft es ihnen? Nichts. Denn plötzlich stellen immer mehr Gemeinden fest, dass Illingen kein Einzelfall ist, sondern die Regel. Im Saarland sind es fast alle. Gleiches stellen wir in der Eifel, in der Westpfalz, in Nordhessen, in Niedersachsen, im Ruhrgebiet fest. Der demographische Wandel ist in Westdeutschland angekommen, und die betroffenen Kommunen erkennen, dass man mit ein paar Geburtsprämien oder anderen Leckerlis keine große Trends verändern kann. Wir sind nicht Schlusslicht, sondern liegen mittendrin im großen Trend. Und nun kommen Anfragen aus anderen Bundesländern, wie wir das denn angepackt haben mit der Bürgerbeteiligung, zuletzt aus Darmstadt in Hessen und aus Drolshagen in NRW. Zur Wahrheit gehört allerdings, dass wir erst ganz am Anfang unserer Anpassungsstrategien stehen. Ist unsere Infrastruktur genügend ausgelastet? Was können wir noch bezahlen? Wo müssen wir sogar neu bauen, um fit zu sein für die Zukunft? Was geben wir an anderer Stelle auf, wo arbeiten wir mit Nachbarn zusammen? Man muss das nicht am Knie abbrechen. Demographischer Wandel ist ein langsamer Prozess. Aber Strategien brauchen wir, auch wenn sie nicht in jedem Fall bequem sind, je früher, desto besser. „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“, hat Ingeborg Bachmann geschrieben. Es ist einer meiner Leitsätze. Dazu gehört aber auch der Satz von Friedrich Dürrenmatt: „Was alle angeht, können nur alle lösen“.
Deshalb gehört das Thema Bürgerbeteiligung auch zur Entwicklung des Höllgeländes. Für diesen Ansatz haben wir den Zuschlag beim Bundesforschungsprojekt „ExWost“ bekommen. Die Höll-AG hat letzte Woche darüber beraten. In dieser Woche wollen wir nach 35 oder 36 Jahren das Sanierungsgebiet Illingen aufheben. So lange darf eigentlich keine Sanierung dauern. Das lässt kein Gericht zu, und das genehmigt auch die Landesregierung nicht mehr. Deshalb müssen wir jetzt einen Schlussstrich unter die Sanierung ziehen. Zur Wahrheit gehört auch, dass wir sagen: Die Sanierungsziele von damals haben wir zum Teil nicht erreicht, weil sich die Zeiten und die Umstände geändert haben. Damals sollte eine Parallelstraße zur Hauptstraße gebaut werden. Es gab weder Illipse noch Pfarrheim noch den neuen Kindergarten noch das Burghotel. Bei Höll wurde noch Wurst gekocht, man konnte noch Herrenoberbekleidung und Haushaltswaren in Illingen kaufen. An eine Parallelstraße zur Hauptstraße in Richtung Park ist nicht mehr zu denken. Sie ist schlicht nicht mehr möglich.
Dafür ist auf der anderen Seite sehr wohl eine Straße denkbar, die als Umgehung dient. Und auf dem alten Gewerbegelände könnten in absehbarer Zeit Wohngebäude und ein angemessen großer Einkaufsmarkt stehen, damit man im Zentrum wieder Lebensmittel kaufen kann. Natürlich wollen wir den Bürgerideen nicht vorgreifen. Wenn der alte Brauerei-Turm von Holweck, in dem Höll später Wurst produziert hat, zu erhalten ist, kann man sich vieles vorstellen. Aber es muss bezahlbar sein. Auch das gehört zur Wahrheit. Deshalb sage ich zum jetzigen Zeitpunkt: Wir wissen noch nicht, was kommt. Wir wissen nur, dass wir das Projekt als Gemeinde packen können. Wir sind nicht schlechter als Investoren. Unser Vorteil: Wir müssen keinen großen Profit erwirtschaften, weder für Fonds noch für Geldanleger. Weil wir als eine der ersten saarländischen Gemeinden den Mut haben, eine solch große innerörtliche Erschließungsaufgabe wieder selbst zu stemmen, schauen alle sehr genau nach Illingen. Wie machen die das? Auch da gilt: Wir müssen an einem Strang ziehen. Wenn wir dabei in dieselbe Richtung ziehen, vergeuden wir keine Kraft, sondern bündeln sie. Auch das ist die Wahrheit.
Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar. Man kann damit sogar Wahlen gewinnen. Und man kann die Zukunft einer Gemeinde auf diese Weise sichern. Das sollte unser oberstes Ziel sein, ganz gleich, wer welcher Partei angehört. Ich würde mich freuen, wenn viele dabei mitziehen würden. Packen wir’s an. In dieser Woche werden wichtige Weichen gestellt – die letzte Gemeinderatssitzung ist keine Routinesitzung. Die überparteiliche Höll-AG hat den Weg geebnet. Das ist erfreulich.
Ich wünsche Ihnen eine gute Woche und uns gute Beratungen.