Der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki hat einen „überbordenden Materialismus und Konsumismus“ verurteilt. Diese Fehlentwicklung sei „der Kern der heutigen Wirtschafts- und Finanzkrise“, sagte Woelki am Dienstagabend in Berlin. Dagegen könne die Katholische Soziallehre helfen, um den Menschen und darauf aufbauend die Wirtschaft zu erneuern, betonte der Erzbischof.
Woelki wandte sich gegen den „Mythos, dass sich der Markt selbst regulieren würde“ und gegen den „Mythos des grenzenlosen Wachstums“. Damit sei die Ausbeutung armer Länder und der Erde verbunden. Dagegen trete die Kirche für eine soziale Marktwirtschaft ein, so der Kardinal. Sie stelle Wettbewerbsfreiheit und Privateigentum nicht in Frage, die Wirtschaft habe jedoch dem Menschen zu dienen, unterstrich Woelki. „Dies geschieht auch dank eines gerechten Lohns, der es dem Arbeitnehmer ermöglicht, für sich und seine Familie ausreichend zu sorgen.“ Er äußerte sich bei einem Empfang des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU).
Der Kardinal wies den Vorwurf zurück, die katholische Kirche äußere sich zuwenig zur globalen Finanz- und Wirtschaftskrise. Fertige Lösungsansätze zu präsentieren, sei „noch nie die vorrangige Aufgabe der Katholischen Soziallehre gewesen“, erklärte er. Ihr Fokus richte sich vorrangig auf die Prinzipien, die dem Handeln des konkreten Menschen zugrunde liegen. Die Kirche achte die legitime Autonomie der Wirtschaft und maße sich nicht an, „in diesen Bereich von außen einfach hinein dirigieren zu wollen“. In der Wirtschaft seien viele Christen tätig und verfügten über entsprechende Kompetenzen.
Woelki beklagte auch, dass die Kirche durch die Vertrauenskrise der vergangenen Jahre nicht mehr gehört werde, in der Folge würden viele positive Aspekte der katholischen Lehre und Praxis übersehen und von den Medien nicht adäquat dargestellt. Schließlich ging der Berliner Kardinal auf die wachsende Kluft zwischen Armen und Reichen in Deutschland ein. Eine Frucht des neoliberalen Wirtschaftssystems sei der Geldfluss von unten nach oben.
Begrenzte Schöpfung
Im Herzen einer materialistischen Wirtschaft stehe „einzig die Profitmaximierung“ so der Kardinal weiter. Sie werde flankiert vom Mythos des grenzenlosen Wachstums. Doch die Schöpfung sei begrenzt. Als Konsequenz der genannten Probleme forderte Woelki einen „erneuerten Mensch, einen erneuerter Lebensstil und eine erneuerte Wirtschaft“. Es bleibe die vorrangige Aufgabe des Menschen, den Materialismus zu überwinden. Dies sei durch die innere Wandlung des Menschen mit seiner Ausrichtung auf Gott möglich.
Konkret gab der Kardinal den Menschen folgende Ratschläge und empfahl: „Einen maßvollen Konsum, bei dem der Mensch nichts verliert, aber menschlich gewinnt. Die solidarische Gemeinschaft (Familie, Nachbarn, Freunde
). Die Wiederverwendung der Güter (gegen Verschwendungssucht und Wegwerfmentalität), eine Technologie der Sparsamkeit, Einsatz für die Mitmenschen, Pflege der
Gesundheit, sinnvolle Gestaltung der Freizeit, Einsatz für die sog. 3. Welt, Achtung vor der Natur und die Pflege eines spirituellen Lebens,
dank dem das Geistige und das Gewissen einen Vorrang haben.“
Dem BKU gehören nach eigenen Angaben bundesweit rund 1.300 Inhaber-Unternehmer, Selbstständige und leitende Angestellte an. Er versteht sich als Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Kirche und Politik. Bei dem Empfang kündigte die BKU-Bundesvorsitzende Marie-Luise Dött (CDU) für dieses Jahr Positionspapiere ihres Verbandes zu den Themen Eigentümerverantwortung und nachhaltige Ordnungspolitik an.
An der Veranstaltung nahmen zahlreiche Vertreter aus Kirche, Wirtschaft und Politik teil. Unter ihnen waren der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Jean-Claude Perisset, und der Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Volker Kauder (CDU).
Quelle: kna, dr
URL: http://www.domradio.de/aktuell/83943/kardinal-woelki-kritisiert-neoliberales-wirtschaftssystem.html
http://www.domradio.de/aktuell/83943/materialismus-als-kern-der-krise.html