Und wieder der Fall Arnsberg mit der illegalen Durchsuchung bei einer 17jährigen Jungsozialistin; der „Ohrfeigen-Beschluss“ des Landgerichts Arnsberg mit seiner heftigen Rüge der Durchsuchung. Ich bin sprachlos und entsetzt. Wirklich! Das ist wie in einem schlechten Krimi.
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Armin König
Die Vorgeschichte kennen wir jetzt: Merz-Auftritt in Menden am 26. Januar, heftige Schmierereien, keine Täter, Zeuginnenaussage, Hängepartie, plötzliche anonyme Anzeige, illegale Hausdurchsuchung, angeordnet durch das Amtsgericht Arnsberg (Direktorin Merz nicht damit befasst), Beschwerde. Skandal.
Ich habe nun den Beschluss den Landgerichts Arnsberg vor mir. Das ist eine echte Ohrfeige für den Richter am Amtsgericht. Und die Abläufe sind wirklich abenteuerlich.
Abgespielt hat sich das Ganze am 26. Januar in Menden im Sauerland, wo Friedrich Merz auftrat. Die Schmierereien waren heftig und sehr böse. Wer sie anfertigte, weiß man nicht. Dann tritt die „Zeugin D.“ auf den Plan. Sie wird vom „Polizeibeamten R.“ befragt. In Urteilen und Beschlüssen werden die eigentlichen Namen unkenntlich gemacht und anonymisiert. Leider erfahren wir nicht, ob der Polizeibeamte R. identisch ist mit einem aktiven CDU-Polizisten, der hier den Fall wegen Befangenheit gar nicht hätte betrauen dürfen. Rechtsanwalt Kuschaty bejaht dies aber in seinem Anwalts-Schriftsatz. Da ist einer also total befangen, weil er nicht nur für die CDU »ein öffentliches Amt bekleide«, sondern auch »in dieser Funktion wegen des Sachverhalts [der Schmierereien] in der Presse abgelichtet gewesen« war.
Nun folgt ein Ausschnitt aus dem Original-Beschluss des Landgerichts, der auch mich sprachlos macht (wohl auch die Richter):
„Hinweise auf Tatverdächtige ergaben sich zunächst nicht. Ausweislich ihrer polizeilichen Vernehmung beobachtete die Zeugin D. in der Tatnacht um etwa 00:15 Uhr zwei Personen im Alter von etwa 20 bis 25 Jahren, im räumlicher Nähe zu dem Schützenheim. Hierbei soll es sich nach ihrer Beschreibung um eine Frau mit hellen Haaren und einen Mann mit dunkleren Haaren handeln (Vermerk des Polizeibeamten R. Bl. 22 d.A.). In der Vernehmung gab die Zeugin an, Der Mann habe eine Tragetasche mit Aufdruck des Discounters „Z.“ bei sich gehabt. Die Frau sei blond und dick angezogen gewesen, sie habe sie „nicht so gut gesehen“, da sie hinter dem Mann gegangen sei. Die Zeugin ergänzte: „Ich konnte mir die Gesichter nicht merken.“
Das also ist die Grundlage für einen schwerwiegenden Eingriff in Persönlichkeitsrechte und die Unverletzlichkeit der Wohnung? Nein, das reichte nicht aus. Nicht für die Staatsanwaltschaft. Also hat irgend jemand nachgelegt.
Ich zitiere:
»Am 10.02.2025 erreichte das Polizeipräsidium M. ein maschinengeschriebenes anonymes Schreiben mit folgendem Inhalt:
„Farbschmierereien an der Schützenhalle in F.
[sic!] am 16.01.2025 Hinweise: Nehmen Sie für Ihre Ermittllungen bitte unbedingt folgende beiden [sic!] Personen ins Visier: E. und C. Diese Mitteilung dient Aufklärungszwecken.“

Eine Zeugin, die sich keine Gesichter merken konnten und keine sachdienlichen Angaben machen konnte (»blond und dick angezogen« – im Winter!) und ein Anscheißer, der die Polizei auffordert (kann auch eine Anscheißerin gewesen sein):
»Nehmen Sie für Ihre Ermittllungen bitte unbedingt folgende beiden Personen ins Visier“. Na prima.
Nun endlich nehmen die »Ermittlungen« ihren Lauf. Oder auch nicht. Im Beschluss heißt es:
»Die Polizei recherchierte zu den Personen in den polizeilichen Datenbanken und in allgemein zugänglichen Quellen. Zu der Beschwerdeführerin lagen keine polizeilichen Erkenntnisse vor. Die Internet-Recherche ergab ausweislich des Vermerks des Polizeibeamten KOK Q. lediglich, dass die Beschwerdeführerin Mitglied in der Jugendorganisation der U-Partei („V“) ist.«
KOK ist ein Kriminaloberkommissar, die »Beschwerdeführerin ist Nela Kruschinski (17), Mitglied der Jusos („Jugendorganisation der U-Partei, also SPD).
Es wird aber noch doller:
»Hinsichtlich des weiteren Beschuldigter ergaben sich Hinweise, er habe in K. schon einmal Sticker der W. geklebt, sei 2019 für „Fridays for future“ aktiv gewesen und eine zumindest namensgleiche Person habe in X. Bezug zur Partei „F-Partei“.
Wir wissen leider nicht, wer die F-Partei ist (vielleicht die Linken), keine Ahnung. Jedenfalls hat er Sticker geklebt und war 2019 bei Fridays for future. Das ist doch mal ein Verdacht. Wow.
»W« ist vielleicht die Antifa. Vielleicht aber auch nicht. Wer weiß?
Aus dem Beschluss:
»In welcher Verbindung die beiden … zueinander standen, wurde nicht ermittelt. Auf einer von dem Mitteiler J. übermittelten Liste von Personen, die angeblich in F [Menden] der W. angehören, befanden sich die Namen der Beschuldigten nicht.«
Mitteiler J. ist der Anscheißer. So nenne ich ihn.
Also jetzt endlich Schluss mit dem Unsinn?
Nein.
»Auf dieser Grundlage regte die Polizei bei dem Amtsgericht C [Arnsberg] den Erlass entsprechender Durchsuchungsbeschlüsse an. In dem polizeilichen Vermerk (Bl. 83 d.A.) teilt KOK Q. mit: „Die Staatsanwaltschaft C, StA S., stimmt der Durchsuchung nach Sachvortrag zu und stellt einen entsprechenden Antrag im Sinne der Anregung.“ Ein Antrag der Staatsanwaltschaft ist in den Akten weder schriftlich noch mündlich dokumentiert. Eine Nachfrage des Berichterstatters bei dem befassten Ermittlungsrichter ergab, dass dieser keinen unmittelbaren Kontakt mit dem ermittelnden Staatsanwalt hatte.«
War das also eine glatte Lüge des Kriminaloberkommissars Q? Nach Sachvortrag hätte Staatsanwalt zugestimmt, einen Antrag auf Durchsuchung zu stellen? Hat er aber nicht. Nicht schriftlich.
Nochmal zur Erläuterung: Der Berichterstatter des Landgerichts als zuständiger Richter hat nichts in den Akten gefunden, dann den Amtsrichter auf Probe in Arnsberg angerufen und festgestellt, dass der gar keinen Kontakt zur Staatsanwaltschaft hatte. Nur die hätte die Durchsuchung beantragen können. Wo nichts aktenkundig, da kein Antrag. Klare Sache.
Es gab keinen Anfangsverdacht gegen bestimmte Personen. Es gab keine polizeibekannten Vorfälle dieser zwei verdächtigten Personen. Es gab keinen staatsanwaltlichen Antrag an das Amtsgericht. Nichts.
Es gab nur anonyme Anschuldigen gegen eine junge Frau der Jusos und einen jungen Mann, der »Sticker geklebt« und bei Fridays for future aktiv war.
Und offenbar Polizisten, die auf Strafverfolgung drängten. Mindestens einer davon fährt auf CDU-Ticket.
Klare Rüge des Landgerichts jetzt:
»Es handelt sich bei der Wohnungsdurchsuchung um einen tiefgreifenden Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 GG. Zu Recht rügt die Beschwerdeführerin die Annahme eines gegen sie gerichteten Tatverdachts auf der Grundlage der im Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung vorliegenden Ermittlungsergebnisse.«
Die gab es nicht.
Zu den anonymen Hinweisen schreibt das Gericht:
»Bei anonymen Anzeigen müssen die Voraussetzungen des § 102 StPO im Hinblick auf die schutzwürdigen Interessen des Beschuldigten aber wegen der erhöhten Gefahr und des nur schwer bewertbaren Risikos einer falschen Verdächtigung besonders sorgfältig geprüft werden.«
Das ist nicht geschehen.
»Gemessen hieran lagen keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vor, welche die Annahme eines Anfangsverdachts gegen die Beschwerdeführerin zu rechtfertigen vermocht hätten: Die Aussage der Zeugin D. ist zur Personifizierung von Beschuldigten ersichtlich nicht geeignet, da diese eine allenfalls vage Personenbeschreibung abgibt und nicht in der Lage ist, die von ihr beobachteten Tatverdächtigen zu identifizieren. Das anonyme Hinweisschreiben reicht zur Annahme eines Verdachts gegen die Beschwerdeführerin nicht aus. Der Hinweis hat keinerlei sachliche Qualität. Denn er geht über die bloße Nennung zweier Personen mit dem Ziel, die Ermittlungen gegen sie zu richten, nicht hinaus. Die anonymen Angaben enthalten keinerlei Anknüpfungstatsachen, aus denen der unbekannte Mitteiler seine Anschuldigungen herleitet. Es kann daher nach Auffassung der Kammer nicht ohne weiteres von einer zutreffenden Belastung ausgegangen werden. Eine falsche Verdächtigung kann nicht ausgeschlossen werden. Im Ergebnis stellt sich der Inhalt des Schreibens für die Ermittlungsbehörden als bloße Vermutung dar.«
Damit nicht genug.
»Auch die weiteren Ermittlungsergebnisse liefern keine tatsächlichen Anhaltspunkte, welche geeignet wären, den anonym erhobenen Verdacht gegen die Beschwerdeführerin zu bestätigen. Den Angaben der Zeugin D. und dem anonymen Schreiben ist einzig die Tatsache gemein, dass es sich um eine männliche und eine weibliche Person handelt.«
Noch ein Satz aus dem Beschluss gefällig?
Bitteschön
»Zudem weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass die Beschreibung der weiblichen Person durch die Zeugin nicht ohne weiteres auf sie zutrifft. Die politische Zugehörigkeit der Beschwerdeführerin zur Jugendorganisation einer konkurrierenden demokratischen Partei rechtfertigt in keiner Weise die Annahme, die Beschwerdeführerin werde aufgrund ihrer politischen Ansichten Straftaten begehen. Hierfür spricht insbesondere nicht der Umstand, dass die V wegen ihrer inhaltlichen Kritik an den Positionen des Kanzlerkandidaten Friedrich Merz zu einer politischen Demonstration anlässlich des Wahlkampftermins in F aufgerufen haben. Die Beschwerdeführerin ist polizeilich bisher nie in Erscheinung getreten.«
Kein aktenkundiger Antrag der Staatsanwaltschaft, vage Vermutungen, ein Anscheißer, der nach 2 Wochen endlich ein Verfahren in Gang bringen will, nachdem der Polizist R. sich zuvor als CDU-Funktionär beim Entfernen der Schmierereien hat fotografieren lassen von der Presse.
Was sind das eigentlich für Zustände?
»Die Kammer weist ergänzend darauf hin, dass es nach ihrer Auffassung bei Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses der Antrag der Staatsanwaltschaft aktenkundig zu machen ist, und zwar entweder durch die Staatsanwaltschaft selbst (schriftlicher Antrag oder Vermerk über einen fernmündlichen Antrag beim zuständigen Ermittlungsrichter) oder durch den befassten Ermittlungsrichter (Vermerk über ein Telefonat mit dem Staatsanwalt). Die bloße Übermittlung einer gegenüber der Polizei geäußerten Absicht der Staatsanwaltschaft, einen solchen Antrag stellen zu wollen, erscheint der Kammer rechtsstaatlich bedenklich. Denn der Ermittlungsrichter entscheidet auf Antrag der Staatsanwaltschaft, Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sind hingegen nicht antragsbefugt.«
Zack.
Natürlich muss man das öffentlich machen. Unbedingt.
Den Beschluss des Landgerichts habe ich auf der Seite von Anwalt und Richter a.D. Detlef Burhoff gefunden.
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