Armin König

Thomas Hürlimanns "Großer Kater"- ein starker politischer Roman

(eine Rezension aus dem Jahr 2002)

Hürlimanns Roman „Der große Kater“ hat zum Zeitpunkt seines Erscheinens einen handfesten Skandal ausgelöst, ist es doch unverkennbar ein Schlüsselroman mit deutlichen Bezügen zum realen Leben, wobei wir der Versuchung widerstehen wollen, Literatur für Leben zu halten. Der Kater ist Thomas Hürlimanns Vater Hans Hürlimann, Bundespräsident im Jahre 1979, Marie ist seine Mutter Marie-Thérèse, es gibt den jüngeren krebskranken Bruder. Wobei anzumerken ist, dass der Krebstod von Hürlimanns Bruder den entscheidenden Anstoß für die schriftstellerische Karriere Hürlimanns geliefert hat. Der Schock über diesen Tod bringt Hürlimann nicht nur zum Entschluss, Schriftsteller zu werden; Tod und Trauer wirken auch, als unterirdische Erschütterung, als Riss in der Welt- und Lebenserfahrung, in sein Werk hinein.
Im „großen Kater“ gehet es um den Konflikt zwischen Öffentlichem und Privatem, um die zunehmende Inszenierung von Politik, um Intrigantentum von Subalternen. All dies hat einen besonderen Charme. Nicht minder strahlt die Frau des Bundespräsidenten Charme aus, indem sie sich dem männlich dominierten Politikbetrieb verweigert.

Angesagt ist Staatsbesuch. Das spanischen Königspaar wird in Bern erwartet.
Am Abend steht ein gemeinsames Diner auf dem Programm, am nächsten Morgen ist für die Herren ein Militärflugspektakel angesagt, für die Damen aber, was das Verhängnisvolle ist, ein Besuch im Kinderspital von Doktor Bossi. In diesem Kinderspital liegt nämlich der jüngste und todkranke Sohn des Bundespräsidenten (siehe oben).
Kater selbst hat Probleme: seine Popularitätswerte sind gesunken, er steckt in einer veritablen Lebenskrise, auch das Verhältnis zu seiner Frau wird zunehmend schwierig. All dies wird noch überlagert von der schweren Krankheit des Sohnes.
Dass Kater Frau Marie es nicht erlaubt, dieses Sterben in die Öffentlichkeit zu tragen; und dass sie darum am Abend nicht zum Diner erscheinen wird und tags darauf nicht zum Besuch in der Kinderklinik – das wird von Hürlimann spannend erzählend, mit vielen Hintergründen aus dem wahren politischen Leben. Da spricht ein Insider.
So wird „Der große Kater“ zum Lehrstück über Intrigen in der Politik über die Macht der Menschlichkeit von Politiker den Mut haben, sich dem gefälligen Spektakel zu verweigern.

(c) 2002 Armin König