Armin König

Von Essensfälschern und Dioxinpanschern

12 Tage ist es her, dass man mir Thilo Bodes Buch „Die Essensfälscher“ geschenkt hat. Ein bisschen geschluckt habe ich schon: als Weihnachtsgeschenk ein Buch, „Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen“. Andererseits lese ich gern gute Sachbücher. Und Bodes Buch ist wirklich gut. Bode ist Profi. Als Gründer von foodwatch kennt er die Tricks, mit denen bestimmte Multikonzerne uns alle verschaukeln. Er schreibt von der großen Irreführung als Wachstumsstrategie, von unsinnigem „functional food“, von einer „Lebensmittelbuchkommission“, die in „Leitsätzen“ teilweise absurde Produktdefinitionen veröffentlicht – etwa, dass in den Heringssalat auch Rindfleisch gemischt werden darf und dass Schokopudding nicht mehr als 1 Prozent Kakao enthalten muss. Er schreibt vom Etikettenschwindel einer italienischen Nudelmarkt, entlarvt die Actimel- und LC-10-Legenden und beschreibt schließlich, wie Imitat-Lebensmittel den Verbrauchern etwas vorgaukeln, was sie tatsächlich nicht auf den Teller bekommen. Bode kritisiert die „Kapitulation der Kontrolleure“, um schließlich zu einem desaströsen Ergebnis zu kommen: „Das Treiben der Nahrungsmittelkonzerne grenzt an Körperverletzung durch Irreführung. Das muss ein Ende haben.“

Kaum hatte ich das Buch ins Regal gestellt, um den unappetitlichen Inhalt wieder zu vergessen – man will ja doch nicht alles wissen -, jagt eine Dioxin-Meldung die andere. Und entsetzt stellen wir fest, dass Bode nur die harmlose Variante der Lebensmittelfälschung beschrieben hat. Je mehr wir in den letzten Tagen erfahren haben, um so mehr kommen wir zum Schluss, dass Dioxinpanscherei wohl Teil des Systems ist. Ja, ich bin entsetzt.

Und dann fällt mir ein, dass ich zu Beginn meiner Amtszeit Illinger Rathausgespräche veranstaltet habe. 1998 stellten die inzwischen gestorbene Grimme-Preisträgerin Nina Kleinschmidt und ihr Co-Autor Henri Wagnern in „meinem“ Rathaus ihr Buch „Diese Suppe ess ich nicht. Von Lebens- und Sterbensmitteln“ vor. Weitere Titel der fast vergessenen Filmemacherin und Autorin waren „Tierische Geschäfte – Barbarische Methoden im Fleisch- und Eierland“ (1987), „Wer hat das Schwein zur Sau gemacht? Mafia-Methoden in der deutschen Landwirtschaft.“ (1993)

Ich dachte 1998: Man darf nicht so pessimistisch sein wie Nina und Henri. Es kann jetzt alles nur noch besser werden. Es wurde aber nicht besser. Ende 2000 gab es Prionen-Alarm in der Fleischwurst, dem Saar-Lyoner. Damals war auch eine saarländische Firma in den Schlagzeilen. Die Folgen kennt man hier. Aber das ist eine andere Geschichte. In der Folge jagte eine Affäre die nächste. Gibt es irgend eine Chance auf Besserung? Ich glaube nicht. Inzwischen bin selbst ich – der notorische Optimist – zum Skeptiker geworden.

Heute stellen wir ernüchtert fest, dass es noch immer Panschereien gibt, dass die Kontrolleure offenbar kapituliert haben, dass den Verbrauchern neben Lebensmitteln auch Produkte vorgesetzt werden, die diesen Namen nicht verdienen. Und dass es noch immer Typen gibt, die mafiose Geschäfte betreiben und die tausende Klein- und Mittelbetriebe in den Ruin treiben können. Warum ist eigentlich die öffentliche Hand nicht in der Lage, ein- und durchzugreifen?!

Wenn ungezügelte Marktwirtschaft zu Kannibalismus führt, können wir das nicht goutieren. Es ist an der Zeit, die Zügel anzuziehen. Damit Essenfälscher und Dioxinpanscher, Gammelfleischvermarkter und PCB-(Gift)Mischer keine Chance mehr haben.

Übrigens schrieb Foodwatch schon am 30.5.2007 über giftige Dioxine und PCB in Lebensmitteln. Genutzt hat es nichts…