Armin König

Warnung vor Exodus von Mitte-Wählern bei Merz-Wahl – Spaltung der CDU?

Warnung vor Exodus von Mitte-Wählern bei Merz-Wahl – Spaltung der CDU?

Der Illinger Bürgermeister Armin König (CDU) sieht Riesen-Probleme auf die CDU zukommen, sollte Friedrich Merz zum Bundesvorsitzenden gewählt werden. König, der in den letzten Jahren mehrfach  innerparteipolitische Debatten angestoßen hat,  hält es für einen großen Fehler, darüber nicht vor dem Bundesparteitag offen zu diskutieren. Das sei aber überfällig. Der Ruf nach Geschlossenheit sei falsch, weil es um die Grundausrichtung de CDU für die nächsten zehn bis 20 Jahre gehe. »Ich bin kein Delegierter, aber ich zahle seit fast 50 Jahren Mitgliedsbeiträge, und ich bin seit 25 Jahren stellvertretender Vorsitzender eines Gemeindeverbands.« Noch sei es Zeit, offen zu diskutieren.     

»Das Schlimmste, was passieren kann ist eine Spaltung der CDU, weil Merz eine andere Politik, eine andere CDU und einen radikalen Bruch mit der Mitte-Politik Angela Merkels will. Aber selbst wenn es nicht zu einer Spaltung kommt, wird es bei einer Merz-Wahl möglicherweise zu einem Exodus von Mitte-Wählern kommen, der die CDU erheblich schwächen wird. Friedrich Merz ist ein Risiko für die CDU, weil er eine weniger soziale CDU will, weil er die falschen Freunde hat und weil er die CDU im politischen Koordinatensystem nach rechts verschieben will. Mit reaktionärer Politik kann man in Deutschland keine Wahlen gewinnen.« 

Merz habe den Anschluss verpasst. 

Er stehe für ein antiquiertes Frauenbild, für ein veraltetes Gesellschaftsmodell, tendiere offenbar zu homophoben Vorurteilen, stehe für Konzerninteressen, Finanzkapitalismus und Ellbogen-Marktwirtschaft. »Shareholder-Value ist dem Blackrockmanager wichtiger als sozialer Zusammenhalt«. Seine Vorbehalte gegen Ökologie, gegen Mindestlohn und gesellschaftliche Veränderungen stoßen nach meinen Beobachtungen auf Vorbehalte.« Mit merkwürdigen Äußerungen zu Trump und zur AfD, zur Sozialpolitik und zur humanitärem und ökologischem Engagement, zu Schwulen und Lesben und zur Außenpolitik habe Merz deutlich gemacht, dass er im politischen Koordinatensystem eher rechts stehe. Er werde von den Sektierern der extrem rechts stehenden so genannten WerteUnion um Maaßen offensiv unterstützt. Das komme nicht von ungefähr. 

»Sie alle eint der Zorn auf Angela Merkel.  Merz will diesen  Bruch mit der Politik Angela Merkels. Und er wird alles dafür tun, um Kanzlerkandidat zu werden und dies niemals Markus Söder überlassen. Wie bei Trump weiß man vorher, woran man ist. Das ist der Vorteil seiner Rhetorik.«  

Armin König ist seit fast 50 Jahren CDU-Mitglied (1974), er ist mit seiner Partei durch alle Krisen- und Erfolgszeiten gegangen. Ein Austritt hat für ihn nie zur Debatte gestanden. »Doch zum ersten Mal zweifele ich ernsthaft«, sagt er. Der dienstälteste saarländische Bürgermeister, der viermal direkt gewählt wurde und auf Facebook über 5000 Follower hat, sieht drei Konsequenzen für die CDU bei einem Ruck nach rechts: 

  1. Ein Teil der progressiven CDU-Wählerinnen und  Wähler wird die Grünen wählen. Das gilt vor allem für urbane Milieus, die bisher die Grünen nicht wählen wollten, aber mit einer modernisierten CDU als Volkspartei der Mitte einen Kompromiss gefunden hatten, der einerseits Kontinuität, andererseits  nun auch eine schwarz-grüne Koalition möglich macht. 
  2. Langjährige Mittewähler*innen, die immer zur Wahl gegangen sind, werden erstmals einfach zu Hause bleiben, weil sie nicht wissen, wen sie wählen sollen. Das wird der größte Teil sein. Das ist deshalb fatal, weil der CDU-Anhang zu den pflichtbewussten, treuen Wahlbürgern gehört. Das kann ein Exodus werden. Es ist damit zu rechnen, dass die CDU dann bestenfalls zu einer 25-Prozent-Partei wird.  Eine unter Eskens, Walter-Borjans und Kühnert nach links driftende SPD ist keine Alternative, die FDP ist zu stark auf ihren unpopulären Chef Lindner ausgerichtet, die Grünen bleiben unsichere Kantonisten, weil Teile der Grünen lieber links regieren. Und wenn kein Söder und keine Alternative in Sicht ist, bleibt man eben im September zu Hause. Die CDU wird dann ein Mobilisierungsproblem haben – sowohl im Wahlkampf als auch bei der Wahl, es sei denn, sie setzt voll auf Junge Union und die rechten Buddies. Viele Frauen werden das nicht mitmachen, die linke Mitte der CDU auch nicht.
  3. Bei einer Wahl von Merz wird ein kleiner Teil der CDU-Mitglieder vermutlich die Partei verlassen. Warum soll man mit Mitgleidsbeiträgen und Spenden einen Kurs mittragen, der aus dem extrem rechten Dunstkreis der WerteUnion-Sektierer unterstützt wird, der den Klimaschutz nicht ernst nicht und  der zu einer Spaltung der Gesellschaft führen wird? Mit einer Politik  für Konzerninteressen, mit einem antiquierten gesellschaftspolitischen Politikansatz wird sich ein Teil der CDU-Mitglieder nicht identifizieren.  Natürlich werden die meisten Mitglieder drin bleiben, weil man ungern aus seinem Verein austritt. Aber es wird dann Mitgliederverluste geben.  

Bei einem Rechtsruck der CDU und einem gleichzeitigen Linksruck der SPD wird es möglicherweise in der Mitte der Parteienlandschaft Freiraum für neue Bewegungen geben, die ansonsten kaum Chancen hätten, die 5-Prozent-Hürde zu überwinden. Das kann man aber jetzt noch nicht prognostizieren. Das Beispiel Frankreich zeigt, dass die Erosion der klassischen Parteienlandschaft geradezu bruchartig geschehen kann. Da in Deutschland auch die katholische Kirche eine extreme Vertrauenskrise erlebt – aus diesem Milieu stammt ein Teil der christlich-demokratischen Wählerschaft – ist auch hier eine schnelle, bruchartige Veränderung nicht ausgeschlossen.