Armin König

Warum der Standort Betzenhölle für Globus nicht möglich ist

Da jetzt behauptet wird, man könne einfach die Abstimmung offen wiederholen, die zuvor geheim war, will ich noch einmal erklären, warum dies nicht möglich ist und was ich den Kollegen Bürgermeistern ins Stammbuch geschrieben habe:

 

Liebe Bürgermeister-Kollegen,
vor der wichtigen Abstimmung der Verbandsversammlung der LIK Nord will ich noch einmal auf wesentliche rechtliche und tatsächliche Aspekte der in Rede stehenden Ausgliederungsentscheidung der Betzenhölle-Fläche hinweisen, die Sie gern auch Ihren Verbandsausschussmitgliedern zur Verfügung stellen können.
1. Der Gemeinderat der Gemeinde Illingen war in seiner letzten Sitzung intensiv mit diesen Fragen befasst, da es sich um eine Vertragsangelegenheit von fundamentaler kommunalrechtlicher Bedeutung handelt. Der von der Gemeinde Illingen beratend beigezogene Rechtsanwalt Warken hat (nachzulesen in der Saarbrücker Zeitung von 14.9.2016) explizit auf die Bedeutung des „Planungsverbots“ hingewiesen, das auch in der Stellungnahme der Landesplanung eine wichtige Rolle spielt. Dort wird mit Blick auf das  »Planungsverbot der geltenden Verwaltungsvereinbarung« – auf den »absoluten Restriktionscharakters des Kriteriums« hingewiesen, der eigentlich »zum Ausschluss der betreffenden Standortoption« hätte führen müssen. Bei der Flächenfindung hätte dies entprechend gewichtet werden müssen. Damit stellt sich eindeutig die Frage der Rechtmäßigkeit eines Ausgliederungsbeschlusses, zumal gegebenenfalls finanzielle Rückforderungen zu besorgen sind. Ich halte dies für rechtserheblich.
2. In der von allen beteiligten Kommunen unterzeichneten Verwaltungsvereinbarung heißt es: „Die Gemeinden, das Land und die iks verpflichten sich im Rahmen ihrer jeweiligen Planungs- und Zulassungszuständigkeiten (u.a. Bauleitplanung, Landesplanung) sicher zu stellen, dass in den Kerngebieten des Naturschutzgroßprojektes keine Bebauung, kein Abbau von Bodenschätzen, keine Einrichtung touristischer Anlagen und Freizeitanlagen sowie kein Neu- oder Ausbau von Straßen und Wegen sowie keine weiteren, den Projektzielen zuwider laufenden infrastrukturellen Ausbaumaßnahmen vorgenommen werden.“
Eine Ausgliederung ist damit nicht möglich, weil zwingend der Gesamtzusammenhang des Projekts (Grundsatzbschlüsse Projektanmeldung und Wettbewerbsdurchführung als Geschäftsgrundlage) beachtet werden muss.
3. Ich habe das Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz auf Restriktionen, Planungsverbote und KO-Kriterien hingewiesen. Darauf ist auch nach mehr als vier Monaten keine Antwort erfolgt.  Ich habe unter anderem geschrieben, mit welcher Grundtendenz und Zielsetzung das Projekt LIK Nord beim Bundeswettbewerb als Siegerregion ausgewählt wurde: „Das Projektgebiet beinhaltet ein Mosaik der typischen Landschaftsstrukturen einer Bergbaufolgelandschaft des Steinkohlebergbaus und der damit verbundenen Montanindustrie von Industriebrachen über Halden und Schlammweiher bis hin zur entsprechenden Wasser- und Landbewirtschaftung. Die hier seit drei Jahrzehnten ablaufenden Transformations- und Konversionsprozesse sind charakteristisch für diese Landschaft und bieten Raum für entsprechend repräsentative und beispielhafte Schutz- und Nutzungsstrategien auf derartigen Standorten. Naturschutzfachliches Ziel des Projektes ist es, einen repräsentativen Mix der vielfältigen und zum Teil sehr unterschiedlichen Lebensräume der urban-industriellen Bergbaufolgelandschaft des Saarlandes zu erhalten. Die vier Landschaftslabore des 18 Teilflächen umfassenden Kerngebietes bilden unterschiedliche landschafts- und nutzungsbezogene Typen der Altindustrieregion und damit die Bandbreite an typischen Lebensräumen repräsentativ, d. h. vollständig und in dieser Kombination auf engem Raum einmalig ab.“
Gerade die Repräsentativität des Gesamtraums erfordert es, das Projektgebiet als Ganzheit zu sehen. In dieser Ganzheit haben wir uns für Chance.natur beworben, in dieser Ganzheit haben wir die zweite Wettbewerbsstufe Idee.Natur, in dieser Ganzheit und mit diesem vernetzten, ökologischen, nachhaltigen Ganzheitsansatz für die Region haben wir einen der fünf Wettbewerbssiege errungen. Die Gebietskulisse ist für alle Beteiligten Geschäfts- und Vertragsgrundlage und regionaler Entwicklungsraum für ein einzigartiges Umweltexperiment im urbanen Raum.“
Es sei „nicht zulässig und im übrigen vertragswidrig, Einzelflächen gerade im urbanen Kernraum“ nach den Vorstellungen eines Unternehmens „herauszubrechen, um auf einer dem Naturschutz exklusiv vorbehaltenen Fläche nun eine exorbitante Flächenversiegelung vorzunehmen, um statt experimenteller, ganzheitlicher, nachhaltiger Natur- und Regionalentwicklung künftig, klimaschädlichen, kapitalintensiven und Wettbewerbs-zerstörerischen“ Cash&Carry-Handel zu betreiben, der sich massiv zu Lasten der übrigen LIK-Nord-Kommunen auswirken kann. Geschädigt werde insbesondere der kleine, fußläufig zu erreichende Handel, geschädigt würden die zentralen Versorgungsbereiche der Unterzentren. Weiter heißt es in dem Brief an den Minister:  
„Mit Blick auf die Umweltverträglichkeitsprüfung will ich Ihr Augenmerk auf die umwelterheblichen Auswirkungen der Pkw- und Lkw-Lastigkeit des Vorhabens lenken.“ Dies sei gerade nach dem Pariser Klimaabkommen von Bedeutung.
Außerdem würden „Planungsgrundlagen, die die Behörden im Innenverhältnis binden (Landesentwicklungsplan Siedlung, Landesentwicklungsplan Umwelt) ebenso unterlaufen wie etwa die grundsätzliche Ausrichtung der Saarforst-Landesbetrieb-Grundlagen…“.
Bei Stickstoffoxiden und Feinstaub sei „durch das Vorhaben wegen der starken Bedeutung der Verbrennungsmotoren bei der Erreichbarkeit des Vorhabens eine Verschlechterung der Umweltsituation zu befürchten – ausgerechnet im einem Gebiet, das als gesamtstaatlich repräsentatives Naturschutzgroßvorhaben ja für Klimaschutz und innovative Umweltpolitik steht.“
4. Die SPD-Fraktion im Gemeinderat Illingen hat mit ihren Kooperationspartern zur Beratung den Globus-Parteigutachter von Markt und Standort in die Gemeinderatssitzung mitgebracht, ohne dass dies unter den Fraktionen abgestimmt war. Markt- und Standort-Marktforscher Lingen hat in der Sitzung, nachdem ich in die Auswirkungsanalyse des Unternehmens eingeführt und Ungereimtheiten offengelegt hatte, ausführlich nahezu jedes Detail erläutert, musste aber einräumen, dass die in Seite 6 des Gutachtens (Bestandserhebungen) für die Grundzentren – also auch für Ihre Kommune – vorgesehenen vollständigen Bestandserhebungen der zentrenrelevanten und von Globus in erheblichem Umfang (4843qm plus 700qm Mall neben 5477 qm Food) geführten Non-Food-Sortimente keineswegs vollständig erhoben wurden, sondern nur für großflächige Anbieter mit Sortimentsüberschneidungen. Es handelt sich damit praktisch um zwei komplette großflächige Warenhäuser mit Raumordnungsrelevanz. Für Illingen wurde festgestellt, dass von mehr als 13.000qm relevanter Einzelhandelsfläche nur 3610 qm tabellarisch dokumentiert wurden. Als Ergebnis stellen wir fest, dass sämtliche im Anhang (Abschnitt 3) aufgeführten Sortimentsflächen mit Ausnahme des Food-Bereichs nicht die tatsächliche Lage des zentrenrelevanten Einzelhandels in der Kommune widerspiegeln. Das ist ein fundamentaler Mangel und betrifft nach einer ersten kursorischen Stichprobe auch Ihre Kommune.
5. Die Gemeinde Illingen hat die Daten von Markt & Standort in einer Plausibilitätsüberprüfung von Lademann & Partner prüfen lassen und dabei festgestellt, dass nicht nur die Datengrundlagen fehlerhaft sind, sondern auch die darauf aufbauen Prognoseberechnungen und damit die so genannten Umsatzumlenkungen, die Sie auf den Seiten 39 bis 52 finden. Ob auf dieser Grundlage eine Außerkraftsetzung des Planungsverbots auch nur denkbar ist, möge jeder angesichts der gravierenden Unsicherheiten für sich entscheiden. In Illingen wurde nicht abgestimmt.
6. Die Plausbilitätsprüfung durch Lademann & Partner kommt u.a. zu folgenden Ergebnissen:
Mangelhafte Datengrundlage: Stichpunktartige Vergleiche der erhobenen Ver-kaufsfläche in den Kommunen im Einzugsgebiet (insbesondere in Illingen) haben ergeben, dass ein Großteil der Flächen augenscheinlich nicht erhoben wurden. D.h. es liegen z.T. gravierende Mängel vor, die – insbesondere aufgrund von vollständig „übersehenen Betrieben“ – nicht mehr im Rahmen von Toleranzabweichungen zwischen Gutachtern liegen. Die Belastbarkeit der darauf aufbauenden Nachfragestromberechnungen und Wirkungsprognosen wird daher massiv erschüttert.
Zu große Ausdehnung des Einzugsgebiets: Die Ausdehnung des Einzugsgebiets ist – insbesondere vor dem Hintergrund der umliegenden (Globus-)SB-Warenhäuser – als deutlich zu groß zu bewerten. Insbesondere die Lage von Homburg innerhalb des Einzugsgebiets, trotzdem sich im Stadtteil Einöd ein sehr großer Globus-Markt befindet, ist als nicht plausibel zu bewerten.
Zu geringer Projektumsatz/Raumleistungen: Die von Markt und Standort an-genommenen Flächenproduktivitäten liegen deutlich untern denen, die üblicherweise in Globus-SB-Warenhäusern generiert werden. Einer Worst Case-Betrachtung wird damit nicht Rechnung getragen.
Perspektivische Bevölkerungsabnahme unberücksichtigt: Gleichwohl die de-mographischen Probleme und der erwartbare drastische Bevölkerungsrückgang im Landkreis Neunkirchen benannt werden, fließen die Erkenntnisse der deutlichen Einwohnerrückgänge zwischen 2014 bis 2019 nicht in die Wirkungsberechnungen ein. Die tatsächliche Situation im Eröffnungsjahr wird mit dieser statischen Betrachtung – ohne Berücksichtigung von Einwohnerveränderungen und Planvorhaben – daher nicht Rechnung getragen.
■ Bereits heute (zu hoher) Kaufkraftabzug im nahversorgungsrelevanten Bedarf vom Umland in Richtung Neunkirchen. (EHZ 131 %)
■ Lage im Naturschutzgebiet Lik-Nord!
■ Mehrfacher Verstoß gegen die Landesplanung: Integrationsgebot, Kongruenzgebot, Beeinträchtigungsverbot werden nicht eingehalten.
■ Störung des raumordnerischen Gefüges: Nicht nur (fragile) zentrale Versorgungsbereiche werden in den umliegenden Grundzentren „mehr als unwesentlich beeinträchtigt“, sondern die gesamte wohnungsnahe (dezentrale) Grundversorgung wird voraussichtlich irreparabel geschädigt.
Mit kollegialen Grüßen
Dr. Armin König