Armin König

Was die DGUV zu Sicherheit bei Großveranstaltungen publizierte

Die Zeitschrift landete gestern auf meinem Schreibtisch – viele andere „Fach- und Führungskräften“ (so die Zielgruppe) werden sie auch bekommen haben. Auf dem Titelbild ein spektakuläres Bild mit Public-Viewing-Menschenmassen und der Schlagzeile: „Sicherheit bei Großveranstaltungen“. Die Zeitschrift heißt „DGUV – faktor arbeitsschutz“ – Zeitschrift für Fach- und Führungskräfte, Ausgabe 4/2010. Herausgeber ist die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Redaktionsschluss war wohl im April oder Mai 2010.

Die freie Journalistin Bettina Brucker schreibt in ihrem sehr kompetenten Beitrag „Wenn die Stadt zur Partyzone wird – Sicherheit bei Großveranstaltungen“. Anlass waren die damals bevorstehenden Public-Viewing-Events anlässlich der Fußball-WM, doch Brucker geht auch auf andere Partyereignisse ein. „Das Risikopotenzial bei solchen Events ist sehr hoch. Damit nichts schief geht, ist eine minutiöse Planung unerlässlich.“

Wer den Artikel jetzt liest, wenige Tage nach dem Loveparade-Unglück von Duisburg, bekommt eine Gänsehaut. Da ist von möglichen verheerenden Folgen bei starkem Gedränge und Panik die Rede, von medizinischen Gefahren (Hitzschlag, Dehydrierung, kreislaufbedingte Ohnmachten etwa bei langem Stehen), von der Zahl erforderlicher Sanitäter und Hilfskräfte, von Versorgungsabschnitten, von der Notwendigkeit, mindestens zwei voneinander unabhängige, ausreichend breite Wege zu haben, über die man gefahrlos auf Verkehrsflächen im Freien gelangt.

Auch von Tunnels und suboptimalen bis exotischen Veranstaltungsstätten ist in kritischem Ton die Rede.

Bettina Brucker geht auch auf Verkehrswege und -flächen ein: „So dürfen Stellplätze für Kraftfahrzeuge sowie deren Zu- und Abfahren nur auf Flächen eingerichtet werden, die weder zum Verlassen der Versammlungsstätte noch als Bewegungsflächen für die Feuerwehr erforderlich sind. Und für das Veranstaltungsende muss eine ausreichende große öffentliche Verkehrsfläche zur Verfügung stehen, die den Besucherstrom aufnehmen kann. Welche Dimensionen das annehmen kann, zeigte sich 2005 beim Papstbesuch. Der Abschlussgottesdienst fand weit vor den Toren Kölns statt. Für den Abfluss der Teilnehmer wurde extra die Autobahn A1 gesperrt und im Umkreis von 70 Kilometern wurden Umleitungen ausgeschildert. Trotzdem kam es zu Engpässen: Die durchschnittliche Abreisezeit lag bei rund elf Stunden!“

Es geht nicht darum, etwas besser gewusst zu haben. Bettina Brucker hat ihren Beitrag lange vor Duisburg geschrieben. Sie verweist auf ein Forschungsprojekt „Risiko Großveranstaltungen – Planung, Bewegung, EVAkuierung und Rettungskonzepte eVA“, das 2009 gestartet wurde und Teil eines Forschungsverbundes ist. Über das Bundesministerium für Bildung und Forschung kann die Dokumentation downgeloadet werden.

Die heutige Pressekonferenz des NRW-Innenministers Jäger und des Polizeiinspekteurs Wehe machte deutlich, gegen wie viele Auflagen und gegen wie viele Erkenntnisse der Unfallforschung verstoßen wurde.

Es stimmt ungeheuer traurig, dass man das Unglück hätte vermeiden können. Allerdings hätte man die Loveparade dann nie so stattfinden lassen können und dürfen, wie geplant und wie letztlich auch realisiert.