Armin König

Wie die stolze Condor zur abgenudelten litauischen Avion-Flug-Alt-Ente A 320_old mit Hydraulikproblemen wurde und die Passagiere für dumm verkauft wurden

Glosse über ein stressiges Flugabenteuer
 

Flieger müssen gewartet werden. Manchmal verlieren sie Öl, manchmal brauchen sie Ersatzteile. Das verstehen wir alles. Wenn die Macken aber Teil eines Systems sind, das auf Lohndrückerei basiert, das billige Subunternehmer einkauft, um PROFITE ZU MAXIMIEREN, wenn dieses passagierunfreundliche Verhalten zu nächtlichen Pannen, Verspätungen und Stresssituationen führt, dann ist dies in meinen Augen Himmel schreiend. Und dann ist es auch sicherheitsrelevant.
Beispiel Condor. Was war das für eine große Marke. Am 21. Dezember 1955 wurde die „Deutsche Flugdienst GmbH“ von den vier Gesellschaftern Norddeutscher Lloyd (27,75 %), Hamburg-Amerika-Linie (27,7 %), Deutsche Lufthansa (25,81 %) und Deutsche Bundesbahn (18,5 %) gegründet.
Heute, unter dem Dach der Thomas Cook, und nach dem endgültigen Abschied der Lufthansa 2012, verwildern die Sitten zunehmend. Ich will nicht gerade von Rowdytum reden, aber hart sind die Sitten schon.
Man chartert Subs wie die Avion Express oder die BUL, um zusätzliche Flüge gewinnbringend „durchführen“ zu können: operating flights. Der Fluggast erfährt davon bei der Buchung vielleicht nichts. So jedenfalls erging es uns. Am 11.4.2017 heißt es noch, dass Condor als DE-Flug (Parnterairline) fliegt. Einen Tag später kommt dann per Email die Nachricht:
„Folgende Buchung mussten wir leider aendern“. Und das „leider“ ist so gar nicht glaubwürdig, wenn die Fluglinie CONDOR erläuternd schreibt:
„Fuer den obengenannten Flug wurde aus operationellen Gruenden die ausfuehrende Fluggesellschaft geaendert, der Flug wird nun durchgefuehrt von AVION EXPRESS.
Der Versand dieser E-Mail erfolgt automatisiert. Antworten auf diese E-Mail koennen nicht bearbeitet werden. Fuer Fragen zu Ihrer Buchung finden Sie die Kontakt Informationen auf der Internet Seite Ihrer Fluggesellschaft.“
Am 4.6. 2017 steht sie dann da, die betagte LY-VEI der Avion Express, ausgeliefert am 2411.1998 für die schwer bekannte und mittlerweile verschwundene TACA (San Salvador), seit 2004 operated von der Sichuan Airlines, geleast von der Pegasus, schließlich von der Sky Holding verleast an die litauische Avion Express, die offenbar eine Art Globalvertrag mit Thomas Cook geschlossen hat, wie wir einer stolzen Customer-Relations-Meldung (für die Aktonäre?) entnehmen.
Nun sind 19 Jahre ja kein Alter für ein Flugzeug, wenn es gut gewartet ist. Aber der Innenraum der AVION sieht genauso aus wie das Äußere eines verlebten Alt-Jugendlichen: Abgewetzt, heruntergekommen, wacklig auf den Beinen. So wacklig wie die Tische. Übrigens steht die AVION Express mit dem Flottenalter ihrer A 320-Flieger auf Platz 211 von 251 notierten Gesellschaften. Also eine Art Oldtimer-Flugbude mit einem Durchschnitts-320-Alter von 18,9 Jahren (Quelle: Fleet-Age bei airfleet.net)

So wird eine stolze Condor zur abgenudelten litauischen Flug-Alt-Ente.

Im Internet lesen wir: „Bei der Auswahl der Fluggesellschaften wird auf Qualität und Zuverlässigkeit geachtet. Alle eingesetzten Flugzeuge werden nach europäischen Qualitäts- und Sicherheitsstandards gewartet.“ Oh Gott, denken wir, ist das die neue QM-Philosophie?
Ich meine, mit Qualitätsmanagement kann es die Condor nicht so ernst meinen, sonst wären ihre QM-Profis mal undercover eingestiegen und hätten ihre Erlebnisse niedergeschrieben.
Im Internet lesen wir mittlerweile zwar:
„Zwei A320 und ein A321 der Avion Express fliegen im Sommer 2017 auf ausgewählten Kurz- und Mittelstrecken Zielen ab Stuttgart, Köln und München. Die 180 (A320) bzw. 220 (A321) Sitzplätze bieten Ihnen den gleichen Komfort, den Sie von Condor erwarten.
Die Flugzeuge verfügen über eine Premium Class sowie XL-Seats. Ein Bordunterhaltungsprogramm können wir Ihnen auf von Avion Express durchgeführten Flügen leider nicht anbieten.“
Aber das „Bordunterhaltungsprogramm“ ist auch so von besonderer Güte.
Die Crew versucht, sich irgendwie verständlich zu machen. Es ist eine eigentümliche Pflichtveranstaltung. Unterhaltungsprogramm?
Die hingenuschelten Sicherheitshinweise, eine der wichtigsten Aktivitäten der Crew zu Beginn jedes Flugs, sind für viele Passagiere kaum verständlich. Okay, wir wissen aus dem Internet: „Bei der Auswahl der Fluggesellschaft wird auf die Qualität und Zuverlässigkeit geachtet. Auf allen Flügen befindet sich ein deutschsprachiges Besatzungsmitglied.“ Aber mit dem Begriff „deutschsprachiges Besatzungsmitglied“ ist wohl beim Hinflug der (durchaus witzige) Kapitän gemeint, der interessante Hinweise zur Flugroute gibt. Aber bei den Sicherheitshinweisen wird schnoddrig irgend etwas (in welcher Sprache?) runtergeeiert und -geleiert und auf die Karte im Sitz verwiesen. Wer nur auf die Sicherheitshinweise der Karte vertrauen kann, ist aber sicher etwas aufgeschmissen. Die Karte sieht übrigens so aus wie die Plastiktasche und das ganze Flugzeug. Nicht mehr ganz neu.
Die Anschnallpflicht wird ordnungsgemäß kontrolliert, dann beginnt schon bald der Getränkeverkauf. Es muss ja Umsatz gemacht werden.
Wie schreibt Condor: „Die 180 (A320) bzw. 220 (A321) Sitzplätze bieten Ihnen den gleichen Komfort, den Sie von Condor erwarten.“
Ja, wir sind schon Condor geflogen, wir hatten krachneue Monitore, eine neue Maschine von Thomas Cook UK. Dagegen ist diese LY-V… eine abgenudelte Klitsche mit Sitzen, deren Verstellbarkeit gewisse Eigenwilligkeiten zeigt, da die Arretierung „Luft“ hat. Das ist also der neue Condor-Qualitätsstandard? Gut zu wissen.
Wir saßen wie in einer Ölsardinenbox, die etwas kräftigere Frau hinter uns fühlte sich nach der Startphase etwas eingeklemmt zwischen Vordersitz und Rückenlehne – aber wir konnten nicht anders, da wir unsererseits vom Vordermann eingeklemmt worden wären, hätten wir nicht die Rückenlehne zurückge- klappt? – nein: zurückgerummst -. Also: Sorry, ihr Lieben. Es war unser Corpus, unser Leben.
Tja, und dann der Rückflug. 21:30 am Gate in PMI. 22:50 Boarding. Planmäßig jedenfalls. Hätte es sein sollen. Aber da kam: Nix. Und da war: nix. Immer nix. Keine Anzeige „Delayed“ oder „Cancelled“. Keine Info. Alles schön auf „OK“ stellen, damit keiner die Passagierrechte einfordert.
Bis irgendwann jemand mit der Sprache herausrückte: Die Hydraulik ist defekt. Das Flugzeug muss gewartet werden. Hat wohl Öl verloren, der Flieger, wenn wir den nach etwa 45 Minuten eingetroffenen Käptn richtig verstanden haben. Hat so’n Bauteil gefehlt, um die Maschine zu reparieren. Das haben sie dann – es war Sonntagnacht in Mallorca PMI – auf dem Flughafen irgendwo „gesucht“, wie sie sagten, und nach intensiver Suche auch gefunden. Weil so’n Hydraulik-Ring-Bauteil, das der Hydraulik wieder den richtigen Druck für die Klappen und Ruder gibt, ja irgendwo liegen muss. Hab ich gegoogelt. Auf einer Flugfachseite. Jedenfalls war der Käptn nicht nur kompetent und freundlich, er trug auch eine gelbe Warnweste. Leider sprach er nur englisch. Er konnte gut fliegen und sein sein Englisch war gut. Eine seiner Crew-Mitgliederinnen übersetzte dann gebrochen deutsch („Auf allen Flügen befindet sich ein deutschsprachiges Besatzungsmitglied“), was uns veranlasste, in einer Crowd-Passagier-Übersetzung die Menschen um uns zu informieren, soweit wir das verstanden hatten. So sind wir Fliegenden eben eine ganz große, zuweilen leidende Familie.
Dafür verlor das Gate-Personal völlig die Nerven, als wir dokumentierten und videografierten, was wir da in der Abflughalle erlebten. Schließlich riefen sie sogar die Polizei, als wir ihre Aussagen aufnehmen wollten. Die Guardia Civil erschien mit zwei Beamten, die aber nicht wussten, was sie am Gate eigentlich sollten. Sie waren die Ärmsten, weil die beiden klugen Guardisten eher dumm rumstanden, weil ihnen niemand erklärte, was und wen sie denn da fangen sollten. Wenn ich das mal so flapsig sagen darf.
Ich habe derweil freundlich die Passagierrecht der EU-Verordnung eingefordert, die aber niemand zur Hand hatte. Kennt man wohl dort nicht. Ist ja eine Ferienfliegerinsel mit Ferienfliegerfluggesellschaftsbenehmen. Einen Verantwortlichen von CONDOR gab es leider nicht, als wir ihn brauchten, ein Telefonanruf bei der 0180-Nummer endete im Nichts. Die Kontaktinfos in den Buchungsunterlagen halfen Sonntagnacht um 1:00 Uhr auch nicht weiter.

Damit wir uns richtig verstehen: Es geht um Fluggastrecht nach Art. 14 der EU-VErordnung 261/2004.
Die sind nicht verhandelbar.
Fluggäste haben Anspruch auf Unterstützung, Verpflegung, Mahlzeiten, wenn Verspätungen von mehr als zwei Stunden anstehen.
Und hier?

Null.
Null Service.
Null Betreuung.
Über mehr als 40 Minuten war das Gate überhaupt nicht besetzt.
Die von mir und anderen Passagieren eingeforderten Fluggastrechte (Art. 14 EU-VO) konnten deshalb weder in dieser Zeit noch später an die Passagiere gegeben werden, da sie offenbar an Ort und Stelle nicht vorhanden waren. Es gab keinerlei Aufklärung der Fluggäste darüber – also weder den EU-rechtlich vorgeschriebenen Hinweis nach Art. 14, Abs. 1 noch die Informationsblätter nach Art. 14, Abs. 2.
Ein Unding.
Rechtswidrig.

Während die Anzeigetafel für die Flüge VOE2801, VOE1781 und LAV2715 jeweils Verspätung anzeigten, wurde unser Flug DE1491 allerdings noch um 0:21 Uhr, also 36 Minuten nach dem vorgesehen Start, als regulär geführt.
Die Abfertigungscrew kam zunächst der Aufforderung nicht nach, eine Änderung der Anzeigen auf der Gate-Tafel und der Übersichts-Tafel vornehmen zu lassen, um den Status DELAYED und die geplante Abflugzeit auch offiziell zu dokumentieren.

Wir mussten schon etwas deutlicher argumentieren.

Die Abflugzeit verschob sich derweil weiter nach hinten.
Der freundliche Käptn mit der gelben Warnweste erschien dann wieder und flößte uns Vertrauen ein: Man habe das Bauteil gefunden und eingebaut. Jetzt müsse es nur noch gecheckt werden. Wurde es auch. Mit Erfolg. Zum Glück bin ich Vielflieger. Wenn all die Flug-Novizen – … nein, daran wollen wir jetzt nicht denken.

Um 2.15 Uhr statt um 23:45 Uhr startete die LY-VEI, die angeblich die höchsten Qualitätsstandards der CONDOR bietet, schließlich in den Nachthimmel von Mallorca.

Es gab zwischen ursprünglicher und tatsächlicher Abflugzeit weder Getränke oder Verpflegungen noch Zugang zu Service-Nummern der Condor oder des Flughafens. Die Passagiere wurden zu nächtlicher Stunde im Stich gelassen.

Auch nach dem Start war die Abwicklung nicht korrekt.
Die Sicherheitshinweise der Cabin-Crew an die Passagiere waren für viele Fluggäste schlicht nicht oder kaum verständlich (Runtergeleierte englische Kurzversion). Es gab keine deutschsprachigen Sicherheitshinweise. Stattdessen wurden lediglich Hinweise auf die Karte der Sicherheitsvorkehrungen gegeben, die aber ohne nähere Erläuterungen nur bedingt verständlich waren. Offenbar ist bei diesen Flügen mit Subunternehmen Umsatz in der Luft wichtiger als Sicherheit.
Die Sitzposition der Rückenlehnen wurden nicht mehr kontrolliert nach dem verspäteten Abflug. Wir mussten einen vor uns sitzenden Passagier energisch auffordern, seinen Sitz während der Startphase in die Senkrechte zu bringen. Ohnehin waren die Arretierungen nicht bei allen Sitzen voll funktionsfähig.

Der Käptn ist gut und schnell und sicher geflogen. Die Klappen und Ruder funktionierten, die Flaps floppten nicht. Gelandet sind wir schließlich mit mehr als zweistündiger Verspätung um 4:21 Uhr in Cologne.
Da klingen die Worte im Internet schon ziemlich lächerlich:

„Die 180 (A320) bzw. 220 (A321) Sitzplätze bieten Ihnen den gleichen Komfort, den Sie von Condor erwarten.
Die Flugzeuge verfügen über eine Premium Class sowie XL-Seats. Ein Bordunterhaltungsprogramm können wir Ihnen auf von Avion Express durchgeführten Flügen leider nicht anbieten.“
Doch, das hatten wir, das Unterhaltungsprogramm.
ABER ÜBER DIE SICHERHEIT, ÜBER TRANSPARENZ UND KLARHEIT UND WAHRHEIT MÜSSTEN WIR UNS WIRKLICH MAL UNTERHALTEN, LIEBE THOMAS COOK, LIEBE CONDOR.
IHR WISST, WEN IHR EUCH DA EINGEKAUFT HABT.
DAS INTERNET IST VOLL VON UNTERHALTSAMEN BESCHREIBUNGEN.