Armin König

Wirtschaftskrieg des Welt-Geldestablishments gegen Europa?

Eigentlich klingt es zu verwegen, um an eine konzertierte Aktion des Welt-Geldestablishments gegen Europa zu glauben. Ich halte nichts von  Verschwörungstheorien. Aber die Abläufe sind diesmal zu zufällig, um nicht an eine Art Kriegserklärung diverser Geld-NGOs an Europa zu glauben. Der US-Regierung nehmen wir (ohne Rückfrage) ab, dass sie nicht beteiligt war und ist. Aber da sind die Rating-Agenturen, die Investment-Herrscher und Hedger, die ganze Staaten in die Knie zwingen wollen.

Ist das eine Verschwörung? Ist das Krieg? Oder einfach nur das der ganz normale Wahnsinn eines perversen, ungezügelten Investmentbanking-Systems? Man muss die Player unter die Lupe nehmen.

Fangen wir mit den Rating-Agenturen an: Sie haben mehr Macht als  viele Regierungen der Welt. Strategisch gesehen sind sie die Vorhut eines Wirtschaftskriegs. Senken sie den Daumen, kann dies hundert Milliarden Dollar oder Euro kosten, die nur noch Staatenbünde zur Verfügung stellen können. Zufall, dass erst Griechenland, dann Portugal und Spanien abgewertet wurden? Nein, es mussten die schwächsten Glieder in der Euro-Kette sein. S&P und Moody’s  haben nicht die klammen USA in den Keller geschickt, was wir uns auch nicht wünschten. Stattdessen wurden gezielt einige Euro-Staaten plattgemacht. Und so kam am Ende ganz Finanz-Europa zeitweise unter die Rater.

Indem die Euro-Staaten den klammen Südstaaten Milliardenkredite zur Verfügung stellten, schwächten sie sich selbst. Die Profiteure: Ein Welt-Geldestablishment, das an Krediten, Sicherungsinstrumenten, Derivaten und schnöden Wetten blendend verdient.

Am Freitag dann der unerklärliche 1000-Punkte-Einbruch des Dow-Jones, der nicht nur zu einer massiven Verunsicherung der Märkte, sondern auch zu einer weiteren Erpressung europäischer Regierungen führte. Und am Samstag die Aussage europäischer Staatschefs, dass massiv gegen den Euro und Europa gewettet werde.

Ja, wir gewinnen den Eindruck: Das ist kein Spiel-Casino mehr, das ist ernster, das ist Krieg. Wirtschaftskrieg. Mit verheerenden Folgen. Man darf das denken. Dann sollte man die These auch in einem ersten Ansatz überprüfen: Ist die These absurd, unglaubhaft, verwegen? Oder könnte sie tatsächlich passen?

Lassen wir professionelle Beobachter zu Wort kommen.

Christoph B. Schiltz schreibt zu den Abläufen in der „Welt“: „Getrieben von den Finanzmärkten schnüren die Regierungschefs der Euro-Länder ein Rettungspaket für angeschlagene Mitgliedsländer. Freitagnacht wird in die Geschichte der EU eingehen. Es waren die Stunden, in denen der Euro gerettet wurde. Oder, aber daran mag niemand denken in Brüssel, auch nicht.“ Über die Verursacher wird öffentlich gar nicht geredet. Rosse und Reiter werden nicht genannt. Aber es muss sie geben.

Wie dramatisch die Lage ist, erfahren wir erst im Nachhinein.

Christoph B. Schiltz: „80 Milliarden Euro Kredite hatten die Euro-Länder dem Pleiteland Griechenland vor einer Woche versprochen. Das sollte die Märkte beruhigen. Aber es passierte nicht. Im Gegenteil: Streiks und Tote in Athen. Die Börsen brachen ein, der Euro verlor immer mehr an Wert. Gerüchte über eine Zahlungsunfähigkeit Spaniens machten die Runde. Mitte der Woche schossen die Risikoaufschläge für die Anleihen einiger Südeuropäer in die Höhe. „Da draußen ist der Teufel los“, sagte ein hoher EU-Diplomat am Freitagmorgen.

Der Teufel? Das sind aus Sicht der EU-Strategen die Rating-Agenturen. Und vor allem die Spekulanten, die gegen den Euro und die Staatsanleihen wirtschaftlich schwacher oder hoch verschuldeter Länder wetten. „Es geht hier um eine weltweit organisierte Attacke gegen den Euro“, sagt der Chef der Euro-Gruppe, Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker. Das sieht auch Kanzlerin Angela Merkel so: „Es ist ein Stück weit ein Kampf der Politik mit den Märkten. Ich will wie alle meine anderen Kollegen diesen Kampf gewinnen.“

Was ist das: Ein Kampf der Politik mit den Märkten?

Märkte sind nie unpersönlich. Märkte werden von Menschen gemacht, von skrupellosen zuweilen. Die sind sogar bereit, die Demokratie zu zerschießen – ohne eine einzige Kugel in die Hand zu nehmen, ohne Pistolen und Gewehre. Dieses schmutzige Geschäft überlassen sie Anderen. Griechenland zeigt, wohin diese Art von Wirtschaftskrieg führt. Amerika und seine Marketplayer kennen sich damit aus. Im großen Monopoly hat jeder seinen Platz, neben den Ratingagenturen auch die Spekulanten und Investmentbanker.

Wer sind diese Spekulanten? Sitzen sie in New York, in London, auf dubiosen Inseln? Oder auch in der Schweiz, in Frankfurt am Main? Wir wissen es noch nicht. Wir wissen, nur, dass es sie gibt. Dazu hätten wir gern Auskunft von offizieller Seite.

Denn Spekulanten, Händler und Investmentbanker haben eine Notoperation am offenen Herzen des Finanzsystems provoziert. Jetzt ist es Zeit, den Kampf mit den Spekulanten aufzunehmen. Ihre Macht muss gebrochen werden. Es gibt keine Alternative zur Formel „Wer nicht für mich ist, ist gegen mich“?

Von einem „Endzeitkrimi zur Euro-Rettung“ spricht Claas Tatje in der „Zeit“. In einer dramatischen Sitzung hätten sich die Staats- und Regierungschefs Europas zusammengerauft, heißt es. „Am Ende stand ein Erste-Hilfe-Paket, von der noch niemand weiß, ob es den Euro am Leben hält“, schreibt Tatje. „Selbst der sonst so wortreich gestikulierende Sarkozy schwieg lieber. Dem Ernst der Lage angemessen, trat er im schwarzen Anzug mit ebenso dunkel schimmernder Krawatte ans Pult. Doch anstatt die Gemeinschaftswährung zu Grabe zu tragen, verkündete er „von nun an“ würden die Spekulanten „auf ihre Kosten“ gegen den Euro wetten. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte nach dem Gipfel nochmals, dass „es ein hohes Maß an Spekulation gegen den Euro gibt.“

Mächtige Investmenbanker drehen wieder große Räder, und diesmal sehen einige von ihnen offenbar die Chance, durch Wetten gegen Staaten gigantische Gewinne zu machen. So kam es am Freitag zu Turbulenzen, wie sie die Finanzwelt noch selten gesehen hat. Von einem Milliarden-„Blutbad“ war die Rede. Erst wurde vermutet, ein Tippfehler eines Trraders könnte zum Kurzzeitcrash geführt haben. Doch daran glaubt inzwischen niemand mehr.

Börsenexperte Dirk Müller sagt: „Aus dem angelsächsischen Raum heraus finden zurzeit konzertierte Angriffe auf den Euro statt, die die Investoren verunsichern sollen. US-Banken unterminieren mit Gerüchten um die Zahlungsfähigkeit Spaniens und einen Austritt Deutschlands aus der Euro-Zone das Vertrauen, und die Ratingagentur Standard and Poor’s stuft Griechenland-Anleihenn genau dann auf „Ramsch“ herab, als das Rettungspaket eigentlich schon auf dem Weg ist.“ (Die Welt)

Einen Tippfehler schließ auch er aus, an Zufälle will er nicht glauben. Seine Meinung ist klar: „Wenn in einem Umfeld größtmöglicher Nervosität, in dem wir über Staatspleiten im Euroraum und den Aufbruch des Währungsraums diskutieren, solch ein beispielloser Crash passiert, dann ist das bestimmt kein Zufall.“

Von Dirk Müller erfahren wir, was auch vielfach im Internet nachzulesen ist: dass S&P dem Medienkonzern Mac-Graw-Hill gehört, dessen Vorstandschef Harold Mac Graw Berater von George W. Bush war. „Ich behaupte: Bei S & P passiert nichts, ohne dass es nicht mit Washington abgestimmt wäre,“ sagt Müller. Nur: Wer ist Washington? Die offizielle Regierung oder die inoffizielle Herrschaft des großen Geldes?

Neben S&P gibt es noch  Moody’s. Gehört u.a. dem Oberspekulanten Warren Buffett und Goldman Sachs, der von Medien so genannten „Skandalbank“, die derzeit im Visier der SEC steht. Die SEC wirft der Bank vor, „riskante Wertpapiere mit unvollständigen Angaben vermarkten zu haben“ (Spiegel), was zu hohen Verlusten bei Anlegern führte, unter anderem bei der deutschen Mittelstandsbank IKB. Nein, Skrupel kennt man im Geldestablishment der Wall Street und anderer Finanzplätze anscheinend nicht, wie wir jüngst bei Susanne Schmidt („Markt ohne Moral“) und bei Medienberichten über die US-Anhörung zu Goldman Sachs nachlesen durften. Auch Goldman Sachs pflegt gute Kontakte zu den konservativen Republikanern. George W. Bushs Finanzminister Ron Paulson war ebenso bei Goldman Sachs wie Neel Kashkari, Finanzstaatssekretär und Verwalter des 700-Milliarden-Dollar Rettungsfonds in der 1. Weltfinanzkrise 2008/09.

Man kennt sich, man trifft sich, man versteht sich. Und man entwickelt in amerikanischen Think Tanks Strategien für die große Politik. Die ist nicht nur Innen- und Außen-, sondern auch Währungs- und Finanzpolitik. „It’s the Economy, stupid“.

Also doch eine Kriegserklärung? Ein kollusives Zusammenwirken von Ratingagenturen, Investmentbanken und Hedgefonds? Und (inaktiven?) Politikern?

Haben Anhänger der Republikaner, die immer gute Beziehungen zum Welt-Geldestablishment pflegten, die Finger mit im Spiel? Welche Rolle spielen Think-Tanks? Wollen sie die Staatsmänner und -frauen, die eine Regulierung des Finanzmärkte angedroht hatten, in die Knie zwingen und die verhasste Obama-Administration gleich mit erledigen? (Großmachtphantasien hat es in den US-Think-Tanks immer schon gegeben.)

All dies wissen wir nicht.

Was wir aber wissen, ist, dass es Verflechtungen zwischen Geld-Establishment und Polit-Establishment gibt, gegenüber denen deutscher Lobbyismus ein Kindergarten  ist. Die Geldmänner sind in vielen Bereichen auf dem Spielfeld aktiv dabei, um sich Einfluss und Ergebnisse zu“sichern“.

Dass es in einer solchen Situation kaum Alternativen zu einer konzertierten Hilfsaktion der Europäer gab und gibt, kann keinen erstaunen. Schlimm ist nur, dass es auch im Deutschen Bundestag immer noch Lobbyisten gibt, die sich dagegen wehren, dass dem Investmentbanking die Daumenschrauben angelegt werden. Es ist an der Zeit,  dass endlich die gigantischen Finanz-Transaktionsgewinne zu einem kleinen Teil abgeschöpft und dass mit diesem Instrument auch gesteuert wird.

Es ist an der Zeit, dass die Politik die Banker in die Schranken weist.

„Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“ (Albert Camus)

Armin König


weitere Infos:

Claas Tatje: Ein Endzeitkrimi zur Euro-Rettung (Die Zeit)

Welt-Interview mit Dirk Müller: „Mister Dax“: Börsenexperte sieht konertierten Angriff auf Euro“

Marc Pitzke: Goldman Sachs: Strippenzieher der Wallstreet (Spiegel online)

P.S. zu konservativen Think Tanks (exemplarisch, nicht in Bezug auf die aktuelle Finanzkrise):

Da gibt es beispielsweise einen Think Tank um den früheren Senator Norm Coleman, dem unter anderem die Finanzmagnaten Fred Malek (Thayer Capital Partners) und Robert K. Steel (Goldman Sachs / Wachovia) angehören, auch Gouverneur Jeb Bush, berühmt-berüchtigt bei der Florida-Auszählung für seinen Bruder George W. Bush und „Wallstreet-Titan“ Ken Langone. Malek war übrigens Miteigner von Bushs Baseballmannschaft  Texas Rangers. Welche Rolle Lobbyist Ed Gillespie spielt, ist anscheinend noch nicht klar.

Lit.:

Banker,Texas Money behind Colemans’s new conservative think tank