Armin König

Zeit für eine Neuorientierung – Soziale Marktwirtschaft statt Finanzkapitalismus

Hab heute ein Grußwort beim VdK-Landesverbandstag („Unser Land sozial gestalten“) in der Illipse Illingen zum ienem Aufruf für eine politische Neuorientierung genutzt.

„Nach Jahren einer stark marktwirtschaftlich orientierten Politik in Europa, die vor allem dem britisch-amerikanischen Modell folgte, rücken zunehmend Fragen der sozialen Gerechtigkeit und einer wertgebundenen Sozial- und Wirtschaftsordnung in den Blickpunkt der deutschen und der saarländischen Politik.
Auch wir in Illingen haben festgestellt, dass der Markt nicht alles regelt und steuert. Es gibt keine „unsichtbare Hand des Marktes“. Das ist ein Mythos. Den Markt können nur Menschen regeln.
Und deshalb sage ich:
Es ist Zeit für einen Paradigmenwechsel.
Es ist Zeit, nicht nur den Finanzmärkten die Regierung zu überlassen.
Die Zukunft gehört denen, die neu denken.
Es ist Zeit, die Soziale Marktwirtschaft wieder in den Vordergrund zu rücken.
Dafür spricht auch der Stimmungswandel in Europa.

Nun werden Sie sagen: Was kann ein Bürgermeister mit seinem begrenzten lokalen Blick zur großen europäischen Politik sagen?

Armin Lang hat vorhin die Hausbesuche von Politikern erwähnt, die wahlkämpfen.
Ich habe inzwischen in drei Urwahlkämpfen über 8000 Häuser besucht. Und ich kenne die Sorgen und Nöte der Menschen, bin immer nah am Ball, gehe zu jeder goldenen Hochzeit, bin in und unter den Vereinen. Das schult. Ich wünsche mir wieder mehr Politiker, die diese Lebenserfahrung gesammelt haben, die nicht von der Uni mit dem Köfferchen in die Parlamente gehen und dort über die Zukunft unseres Landes entscheiden.
Ein Dorf ist nicht die Welt. Das hat schon Dürrenmatt gesagt. Aber in der vernetzten Welt kann jedes Dorf zum global village „in nuce“ werden.

Die Das Silicon Valley hat es bewiesen. Und auf Twitter bin ich Illiconvalley.
Illiconvalley plädiert für einen Kurswechsel.
Hier und in der großen Politik!
Die Zukunft gehört denen, die Gemeinden neu positionieren.
„Das Ende der Welt, wie wir sie kannten“, haben Claus Leggewie und Harald Welzer prophezeit. Vom „Ende der Normalität“ schreibt Bestseller-Autor Gabor Steingart.
Das ist die eine Seite der Medaille.
„Zukunft ist möglich“, schreibt das World Future Council.
„Welt mit Zukunft“ beschwört Franz-Josef Radermacher vom Club of Rome. Das ist die andere Seite der Medaille.
Das ist ein Risiko.
Aber es ist auch eine Chance.
Es ist eine Chance auf das Ende einer Atompolitik, die bis heute keine Lösung für die Endlagerung hat.
Es ist die Chance auf das Ende einer Wegwerfpolitik, die die fossilen Ressourcen dieses Planeten ohne Rücksicht auf die Zukunft ausgeplündert hat.
Es ist auch die Chance auf eine Rückbesinnung zu den Wurzeln einer Gesellschaft, die von christlichen Werten geprägt ist.
Und wenn ich bei meinen letzten Neujahrsreden gesagt habe: „Lasst uns eine Arche bauen“ und „Was wir alleine nicht schaffen, das schaffen wir dann zusammen“, dann war das ein Hinweis darauf, wo die Reise hingehen soll.
Mit dem Projekt Illingen 2030 zeigen wir, wohin wir auch in Zeiten des Demographischen Wandels, der Schrumpfung und der Alterung gehen wollen. Wir setzen auf eine solidarische, partizipative Gesellschaft. Nicht umsonst sind unsere Erfahrungen bundesweit gefragt. Wir touren damit durch ganz Deutschland, waren zuletzt auf Arte und Planetopia.
Es geht immer ums Ganze.
Wir können nicht NUR Wirtschaftspolitik machen.
Wir können nicht NUR Umwelt- und Energiepolitik machen.
Wir können nicht NUR Sozialpolitik machen.
Und wir können nicht NUR Kulturpolitik machen.
Auch wenn wir in all diesen Bereichen in den letzten fünfzehn Jahren in Illingen starke Akzente gesetzt haben: Isoliert funktioniert es nicht. Wir müssen alles zusammenführen, dann entsteht aus Teilen ein Ganzes. Das zahlt sich aus.
Ich weiß, dass es Menschen gibt, die sich von diesen Umbrüchen überfordert fühlen. Selbst wir, die wir mitten drin stehen in diesem Prozess und noch fit sind, haben ja Probleme, das ungeheure Tempo mitzugehen. Um wie viel mehr gilt dies für Menschen, die nicht so ausgebildet sind, die schlechtere Ausgangsbedingungen haben, die gehandicapt sind. Viele kommen einfach nicht mehr mit. Schwächere ohne Abschluss, Migranten beispielsweise, Menschen mit Handicap. Mehr noch gilt es für die vielen alten Menschen in unserer Nachbarschaft. Wir dürfen sie nicht allein lassen.
Ich werde mich nicht damit abfinden, dass wir einen Teil der Menschen einfach abschreiben, weil sie angeblich nicht mehr leistungsfähig sind, weil sie alt oder gebrechlich oder behindert sind.
Ich werde mich auch nicht damit abfinden, dass Menschen, die diese Gesellschaft, dieses Land, diese Gemeinde mit aufgebaut haben, am Ende ihres Lebens abgeschoben werden.
Als Christ sage ich: Fairness, Gerechtigkeit, Achtsamkeit – oder ganz altmodisch: Nächstenliebe – sind mir hoch und heilig.
Und weil dies so ist, müssen wir uns in einer älter werdenden Gesellschaft um die kümmern, die unsere Hilfe brauchen. Wir: Das sind wir alle, nicht nur die Profis der Wohlfahrt! Das schaffen wir nur gemeinsam. Es geht immer ums Ganze.
Unsere Aufgabe ist es, die Schwächeren zu schützen und zu schützen, ihnen aber auch die Chance zur Selbstentfaltung zu geben, wie das Sozialgesetzbuch dies eigentlich vorsieht, ohne dass die entsprechenden Möglichkeiten bisher genutzt werden. Im Saarland gibt es eine lange Tradition der sozialen Marktwirtschaft. Für mich ist die Idee der christlichen Soziallehre prägend. Das versuchen wir auch in Illingen in der lokalen Politik umzusetzen. Die Kooperation mit dem VdK schätzen wir sehr.
In Illingen hat der VdK in der Vergangenheit wegweisende Beschlüsse gefasst, in mindestens einem Fall auch mit meiner Mitwirkung. Darunter waren auch unbequeme Themen, die zwingend in der Gesellschaft diskutiert werden müssen.
Aber wir diskutieren nicht nur über Herausforderungen, wir packen auch an, gewinnen unter tätiger Mithilfe des VdK Preise und feiern gern. Die Freiheit nehmen wir uns.
Unser Illingen hat ein Gesicht. Diese Gemeinde ist anders als andere. Weil sie anders denkt und weil sie anders handelt. Ökologisch sensibel und ökonomisch erfolgreich. Mutig, unkonventionell, kreativ und kulturell aktiv. Und immer nah an den Bürgern.
Zum Wohlbefinden gehört aber auch „Leben und Leben lassen“. Und auch das gehört zu Lebensqualität und Nachhaltigkeit: Dass wir Zeit für uns selbst finden.
Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt in der wohl größten und schönsten „Kulturpraline“ des Saarlandes, der Illipse, und einen angenehmen Aufenthalt im Erholungs- und Gesundheitsort Illingen.